13.01.2011

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Die große Tracking-Skepsis: Google Analytics und die Datenschützer (ibusiness)

Die gleichen Nutzer-Vorbehalte, die gegenüber Onlinewerbung greifen, treffen auch Google Analytics: Hier wie dort ist es die Angst vor dem Ende der digitalen Privatsphäre und das vage Gefühl des Ausspioniertwerdens. Christoph Kappes, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens für digitale Strategien Fructus GmbH erklärt, welche Irrtümer und Vorbehalte nach seiner Meinung die Diskussion verunsachlichen.

Es ist sehr bedauerlich, dass Webanalyse und insbesondere Google Analytics in der breiten Öffentlichkeit durch die juristische Diskussion zwischen Datenschutzbeauftragten und Google sehr verzerrt dargestellt werden

Es geht nicht um Spionage

Profis wissen: Webanalyse verfolgt nicht das Ziel, Nutzer auszuspionieren, weil man mit dem Spionieren kein Geld verdient. Geld verdient wird mit der möglichst passgenauen, zielgruppengerechten Optimierung eines Internetangebotes. Wer als Anbieter ein werbefinanziertes Inhaltsangebot betreibt, muss die Anzahl der Seitenabrufe und viele weitere Parameter im Auge haben; wer als Anbieter einen Shop betreibt, sollte die Anzahl der Verkäufe kennen, die seine Landing Pages (mit-) erzeugen und wissen, welcher Teaser auf der Homepage gut angenommen wird. Dazu gehört auch, Abbruchraten auf der Website und Seitenfolgen zu betrachten, um erkennen zu können, ob Site-Struktur, Design und Inhalte gut sind.

Es sind Dutzende von Parametern, mit denen man eine Website analysiert. Leider geht im Falle Google Analytics die Diskussion um Sinn und Zweck von Webanalyse ein wenig durcheinander: Derjenige, der Webanalyse-Werkzeuge einsetzt, tut das zum eben dargestellten Zweck. Anders Google: Google sammelt auf diese Art Nutzungsdaten, um zielgruppenspezifische Werbung zu schalten. Nach welchen Kriterien Google aussteuert, kann jedermann in seinem Google Dashboard sehen.

Es gibt nicht immer eine Alternative

Zur maschinellen Webanalyse gibt es für abstraktere Fragestellungen sehr sinnvolle Alternativen, z.B. Kundenbefragungen, Nutzerpanels, Expertengutachten etc. Für viele Detailfragen und dort, wo es auf Genauigkeit ankommt, gibt es aber keine Alternative: nur maschinell lässt sich mit vertretbarem Aufwand herausfinden, ob eine Artikeldetailseite in der Variante A bessere Verkäufe erzeugt als eine Variante B. Ob der Check-out-Prozess gut designt ist, erkennt man an Konversionsraten im Nachkommabereich, hier machen kleine Abweichungen und kleine Designänderungen mitunter große Umsatzdifferenzen aus. Und weil die meisten Unternehmen nur wenig Informationen über ihre Wettbewerber haben, messen sie die Änderungen der eigenen Website im zeitlichen Verlauf: ist ein bestimmter Wert diesen Monat besser als im letzten Monat, und besser als im Vorjahr? Hier kommt es darauf an, möglichst viele Messzeitpunkte mit immer denselben maschinellen Verfahren zu haben, um geringe Abweichungen erkennen und analysieren zu können.
Ergo: Webanalyse ist kein technokratischer Unsinn, sondern ein unverzichtbares Werkzeug, um kundenorientiert Websites zu bauen. Journalisten, die über Webanalyse schreiben, sollten auch kurz den Sinn erklären; auch solche der F.A.Z. Ich kann mich nicht erinnern, in irgendeinem Medium mit Qualitätsanspruch mehr als einen Satzeinschub dazu gelesen zu haben. Das Teufelszeug hat nämlich auch für den Leser handgreifliche Vorteile: man findet die Dinge auch, die man kaufen will, und man findet die Inhalte, die man lesen will.

Nicht der einzelne Nutzer wird durchleuchtet

Eine derartige kontinuierliche Produktoptimierung durch empirisches Messen und Ändern ist allerdings in der Zeitungswirtschaft wohl wenig verbreitet, weswegen der Gedanke dort ein wenig fremd vorkommen mag. Trotzdem muss man derzeit feststellen, dass wir weit davon entfernt sind, dass das gesamte Web „von Google vermint“ ist. Nein, man muss konstatieren, dass Google Analytics als Datenschutzthema von minderer Relevanz ist, als es durch die öffentliche Berichterstattung erscheint.
Das Werkzeug ist seit mehreren Jahren auf knapp der Hälfte der 10 000 meistgenutzten deutschen Websites installiert (Quelle: IdealObserver), ohne dass Missbrauchsfälle bekannt wurden.

Schließlich kann ich aus Dutzenden von Praxisprojekten berichten, dass wir schon bei einzelnen Unternehmen Schwierigkeiten haben, aus den Datenmassen, die Webanalyse-Tools liefern, die entscheidenden Key-Performance-Indikatoren herauszufinden; dabei interessiert der einzelne Nutzer nicht, sondern es geht eher um allerhöchste Aggregationsstufen wie die Conversion und die Besuchsfrequenz für Besuchersegmente. Kurz gesagt: Schon ein einzelner Onlinehändler betrachtet Daten nicht auf der Ebene einzelner Nutzer, denn es ist wirtschaftlich sinnlos; für Google muß das erst recht gelten. (Diese Feststellung hat natürlich keine Bedeutung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit.)

Eine von Sachlichkeit weit entfernte Diskussionskultur

Die Diskussion hat einen sehr formalistischen Einschlag: Was die Speicherung von IP-Adressen angeht, mag Datenschützer Caspar recht haben, dass diese zunächst übermittelt und bei Google gespeichert werden. Google hat aber nun extra auf Wunsch der Datenschützer verschiedene Anonymisierungsbefehle eingeführt, so etwa kann man durch den Parameter „aip:1“ Analytics mitteilen, dass das letzte IP-Oktett entfällt. Dies bedeutet nach meinem Verständnis, dass der Browser die Daten zwar zunächst übermittelt, der Server sie dann aber anonymisiert, da ihm der Anonymisierungsbefehl „mitgegeben“ wurde. Die Speicherung geschieht also zum Zwecke des Anonymisierens und der Weiterverarbeitung derart anonymisierter IP-Adressen. Ich finde es sehr förmlich, wie Caspar hier argumentiert. Wenn Google sich an die eigene Implementierung hält (und das war hoffentlich der Sinn der Änderung), sind die IP-Adressen der Nutzer schon nach Sekundenbruchteilen NICHT mehr auf Googles Servern.

Hinzu kommt, daß Diskussion und Stil auch nur in Maßen konstruktiv sind: Es wäre wünschenswert, wenn die Diskussion etwas sachlicher, pragmatischer und zielführender geführt würde. Mit einem öffentlichen Verhandlungsabbruch, verkündet in einer überregionalen Tageszeitung, und einer vagen Drohung von „empfindlichen Geldbußen“, ist der Sache nicht genützt.

Dieser Beitrag erschien als kostenpflichtiger Beitrag im Fachinformationsdienst ibusiness am 13. Januar und ist eine redaktionell bearbeitete und gekürzte Fassung eines umfangreichen Beitrags auf Posterous.

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