Dieser Text erschien am 9.12.2011 um 15:50 Uhr in der W&V.
Newsfeed in Blau: Facebook-Nutzer können künftig Nachrichten von anderen Websites abonnieren und in ihrem Profil anzeigen lassen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten? Digital-Vordenker Christoph Kappes ist sich da nicht so sicher und warnt vor einem vermeintlich kostenlosen Blindflug.
Über Erfolg im Wettbewerb entscheidet schnelles Handeln. Doch manchmal lohnt es sich, die Folgen gründlich abzuwägen. Marketing-Entscheider sollten die Entscheidung über den Abonnieren-Button, den Facebook seit heute anbietet, dazu nutzen, ihre Social Media-Strategie grundlegend zu durchdenken und auf den Prüfstand zu stellen. Die Vorteile der Funktion liegen klar auf der Hand: Der Button kostet nichts, sein Einbau ist Minutensache und er führt Nutzern (Leser) die Statusmeldungen des Unternehmens ab sofort zu. Einen besseren Deal, wenn Nutzer und Unternehmen auf Facebook sind, kann es nicht geben. Der Button ist, sagt Facebook, vor allem für die direkte Kommunikation mit Autoren gedacht, so dass Verlage darauf achten werden, welchem Profil sie genau hier Traffic zuführen.
Doch auf den zweiten Blick macht eines stutzig, wenn man den Blickwinkel des Unternehmens einnimmt: Der Kontakt vor dem Nutzer-Klick ist ein anderer als der nach dem Klick. Vor dem Klick war der Kontakt zwischen Kunde und Unternehmen ein direkter, unvermittelter auf einer Website, die vom Unternehmen inhaltlich und technisch beherrscht wurde. Nach dem Klick hat das Unternehmen eine Verbindung zu einem Interessenten auf Facebook mehr, die aber durch Facebook als den medialen Vermittler kontrolliert wird. Dabei wäre es vielleicht für das Unternehmen auch eine Alternative gewesen, mit gleichem Aufwand eine andere Aktion des Nutzers zu provozieren einen RSS-Feed zum Beispiel, der ein Standard ist, im Web sozusagen allen gehört und der keinen Dritten in die Kundenbeziehung eintreten lässt.
Bei genauer Betrachtung ist es also so: Das Unternehmen hat auf eigene Kosten einen Kunden auf Facebook aktiviert, ohne dass Facebook dies entlohnt. Nun werden viele einwenden, dass auch das Unternehmen Nutzen habe, denn es nutzt ja kostenlos die Plattform sowohl für die eigene Präsenz als auch für den Transfer der Werbebotschaft zum Kunden. Der Deal ist also, so werden viele sagen: Das Unternehmen bekommt Präsenz und Publikum, im Gegenzug darf Facebook das Publikum vermarkten. Win-Win? Das ist zu kurz gesprungen, denn Facebook hat die erklärte Absicht, Kunden als Werbetargets zu profilieren und diesen Werbung zuzuführen. Die unausweichliche Logik dessen ist, dass Wettbewerber auf Kosten des Unternehmens Zugriff auf dessen Interessenten und Kunden bekommen: Kunden von Coca bekommen Werbung von Cola. Der einzige, der hieran verdient, ist Facebook, weil Facebook an Werbung verdient.
Nicht nur das. Mit jeder Aktivität, jeder Kampagne des Unternehmens leistet es seinen Beitrag dafür, dass Facebook die Kunden besser für Wettbewerber profilieren kann und teurer. Nun kann man als aufgeweckter Freund des Online-Wesens das als Natur der Sache ansehen: Das Internet macht eben Märkte für alle transparenter, das ist der Zahn der Zeit, spart Ressourcen und ist also Fortschritt. Ich würde solche Thesen auch ernsthaft unterschreiben. Doch heißt das noch lange nicht, dass nun Mittler in die (wohlgemerkt: schon existierende!) Interessenten- oder Kunden-Beziehung eintreten sollten, und hieran genau das Geld verdienen, das am Ende alle anderen bezahlen müssen: mit Werbung auf einer Plattform nämlich, für deren Kostenfreiheit Facebook keine verbindliche Garantie abgibt.
Die innere Logik des Wirtschaftens in marktwirtschaftlichen Systemen ist vielmehr, dass nach dem Kampf um Marktanteile der Intermediär die Bedingungen vorgibt. Pointiert gesagt: Der Einbau von Gefällt mir und Abonnieren kann eines Tages teuer werden. Man kann vieles outsourcen, aber ausgerechnet die Kundenbeziehung sollte man in eigener Hand behalten. Unternehmen sollten daher darauf achten, dass sie ihr Investment in Grenzen und flexibel halten ein Rückbau beziehungsweise Plattformwechsel sollte möglich sein. Vor allem aber müssen Unternehmen den Traffic genau in die andere Richtung leiten: auf die eigene Website, auf der man mit ein bisschen Einsatz sogar selbst die konkreten Kundendaten (und insbesondere Leads) bekommt, die man gezielt für eigene intelligente Analyse einsetzen kann. Eine Alternative dazu kann es nicht sein, mit dem großen blauen Raumschiff einen kostenlosen Blindflug durch das Universum zu machen, bei dem man nicht weiß, wo man ankommt.
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