06.01.2012

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Von der Höhlenmalerei zum nahtlosen („seamless“) Vorrats-Sharing

Die Website des neuen sozialen Netzwerkes Path beginnt mit:

We all share the common urge to share, record and remember life. The beginning of history is defined by mankind’s first attempt to record life–etchings carved in the walls of the Lascaux caves.

Das Bedürfnis, das Leben aufzuzeichnen, findet sich bei Nutzern von Facebook, bei Vielfotografierern mit Instagram, im Grunde schon bei den ersten Blogs. Hat das in diesen Teilen des Netzes Beobachtbare die gleiche Wurzel wie Höhlenmalerei?
Ich habe sehr neugierig in die Wikipedia gesehen, sie sagt aber nur, dass es verschiedene Theorien über die Gründe für Höhlenmalerei gibt, neben dem Wunsch der Aufzeichnung zum Beispiel auch Schamanismus.

Wir wissen also nicht, was die Gründe damals waren. Auch heute wissen wir nicht ganz genau, warum Menschen aufzeichnen und teilen. Würde Robinson, allein auf der Insel, sich fotografiert haben? Ich denke, nein. Ein zweiter Mensch muss da sein, mit dem ich die Information teilen kann, das ist das Bedürfnis zu Sharen. Ob ich dieses wiederum tue, um mich selbst auszudrücken, um mich zu erinnern, um mich zu finden und mich abzugrenzen, ob ich das als Anlaß für Kommunikation suche, oder ob ich mich selbst darstellen, mich erheben will, all das ist etwas, das man wohl im Einzelfall ansehen muss.  Zwar gibt es Studien, Vorträge und Statistik zu den Gründen des Teilens (hierhier, hier, hier). Es gibt aber keine eindeutige Ursache, genau wie bei der Höhlenmalerei.

Der Unterschied ist nur, dass uns erst die Maschinen die Zeichnung abnahmen, weil sie auf-zeichneten, der Fotoapparat, das Mikrofon, die Videokamera, und nun zeichnen sie nicht mehr nur „auf Knopfdruck“ die Erscheinung der Dinge und Menschen und ihre Aktivität auf (das alles macht nämlich schon das Foto), sondern sie machen es automatisch. Frictionless Sharing als soziale Kultur ist neu (auch „seamless sharing“ genannt, also ununterbrochenes oder „nahtloses“ Teilen). Es ist bei Facebook drei Monate alt, nur von wenigen Nutzern entdeckt und verstanden, und meines Wissens im ganzen Web nicht älter als ein gutes Jahr.

Was mich dabei wundert ist, dass die eigene Vergangenheit zu dokumentieren so wenig nach vorne gerichtet ist und im Grunde „nur“ zur Gegenwartskommunikation und zum erneuten, NLP-mäßigen Abruf bereits erlebter Gefühle benutzt wird. Das ist, wenn es keine Brüche der Privatsphäre (Datenleaks u.ä.) gäbe, eine Sache, die Maschinen überlassen werden sollte, weil es die effizienteste Form für eine Tätigkeit ist – das Auf-Zeichnen sollte keine Ressourcen kosten.

Das Ab-Lesen allerdings gehört in manchen Fällen sozial geächtet, weil es Resourcen verschwendet. Es sei denn, man ruft die Vergangenheit ab, um sich selbst in seiner Gegenwart neu zu verstehen oder sich auf den Tod vorzubereiten. Man wird eines Tages streiten, ob Maschinen wirklich bis zum Hirntod automatisch Aufzeichnungen machen dürfen – die letzten drei Tage sollten Roboter vielleicht automatisch löschen, privacy by design. Sicherheitspolitiker werden aber fordern, dass gerade die Aufzeichnungen der Kamera in unserem Headset wichtige Beweismittel gegen mögliche Täter sind und keineswegs gelöscht, sondern im Grunde vorsichtshalber im noch anderer Stelle in Kopie vorgehalten werden sollten.

Früher hat man sich die Vorräte geteilt, heute teilt man, um Daten zu bevorraten. Wir werden die Diskussionen so schnell nicht los.

Die „Weiße Dame“ ist eine berühmte Dame, sie wohnt mit weiteren ca. 50.000 Zeichnungen in Afrika und ist hier auf dem Bild von drei dunkelhäutigen Menschen umgeben (rechts unten). Foto von Harald Süpfle (CC-BY-SA-2.5 via Wikimedia Commons).

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