27.12.2011

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„Wissen“?

Das Setup dieses Gespräches ist ein bisschen skurril – aber es lohnt sich, vor allem ab Zeitpunkt 6:40:

Prof. Dürr sagt an jener Stelle:

„Die Vorstellung, dass wir sagen „Wir sind auf dem Weg in eine Wissensgesellschaft.“, ist eigentlich falsch. Wir sind auf dem Weg in eine Datensammlungsgesellschaft, wo wir sogenanntes Wissen ansammeln. Aber Wissen ist doch eigentlich ein Wissen nur, wenn ich damit umgehen kann, wenn ich es verdaut habe, wenn ich es in eine Form überführe, wo es die ursprüngliche Lernstruktur verliert, aber etwas Ganzes wird, aus dem Heraus ich den nächsten Schritt machen kann – und das geht verloren.“

Mein Bauch nickt. Information ist nicht Wissen, Lernen nicht gleich Erfahren. Was am Ende zählt, ist die Fähigkeit des Umsetzens und die erfordert idealerweise den ganzen Menschen, der nicht das Re-Play einer Bitsequenz vollzieht, sondern Mittel und Zweck setzt, nach innen und nach aussen, in kleinen und in grossen Zusammenhängen. Eine Armbewegung zum Beispiel kann in vielen Zusammenhängen sinnvoll sein: ein Recken, Teil eines Pflückens, oder der Versuch, ein fremdes Kreuz zu tragen. Ob die Bewegung Mittel oder Zweck ist, und was sie für mich oder für andere bedeutet, das macht menschliches Handeln aus.

Dieser Beitrag führte zu einer kleinen Diskussion. Mir wurde danach klar, dass die meisten Definitionen von Wissen dem Begriff der „Information“ sehr ähneln. Für mich hat „Wissen“ aber auch eine soziale, handlungsorientierte Komponente, sonst hilft es beim Analysieren und Bewerten, nicht aber beim Handeln. Und diese Komponente ist wichtig beim Betrachten des Internets: das Internet hilft uns fast nur mit kognitivem Wissen, nicht mit verhaltensorientiertem. Und es ist alles explizites Wissen; Wir sind, was den Erwerb von implizitem Wissen angeht, auf andere Wege als digitale Medien angewiesen (noch, denn die Hauptursache ist die Schriftform). Und nur sehr wenig am „Wissen“ des Internets hat für uns handlungsorientierten Charakter – vielleicht entiwckeln wir es aktuell durch die sozialen Netzwerke, bei denen wir handelnd das richtige Handeln lernen.

Trotzdem: In den drei polaren Dimensionen explizit vs. implizit, nicht handlungsorientiert vs. handlungsorientiert, formulierbar vs. nicht formulierbar ist der Schwerpunkt von Wissen in Dokumenten immer auf dem erstgenannten Pol, das sollte man bei aller Begeisterung für das Internet nicht vergessen, weil es auf der Dokumentform und Text aufbaut. Je multimedialer und je interaktiver und kommunikativer das Medium wird, desto eher kann es andere Wissensformen vermitteln. Doch die höchste Stufe, das intuitive, handlungsorientierte, weise, kaum explizit formulierbare kann nur durch Erfahrung gewonnen werden – und davon, diese Erfahrung auch in Digitalien machen zu können, sind wir sehr sehr weit entfernt.

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