24.01.2012

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50 Thesen – Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf die Politik

Dieses Thema ist ein großes Thema, man kann daran eigentlich nur scheitern. Ich habe dennoch die Einladung der GRÜNE Akademie der Heinrich Böll Stiftung angenommen, einem Think Tank der GRÜNEN, und am 21. Januar in Berlin ein Statement abgegeben und diskutiert. Es hat mich gereizt, hier einmal nicht eine der üblichen Antworten beizusteuern, sondern eine andere, eigene Sicht zu entwickeln, die nicht die übliche Melange aus Partizipation und Social Media ist. Denn Politik wird sich meines Erachtens sehr viel grundlegender ändern als zum Beispiel durch Bürgerportale und twitternde Politiker.

Das folgende Thesenpapier hat keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern ist nur ein Arbeitspapier. Es ist dennoch abstrakt gehalten, so dass es für jeden Leser Unklarheiten geben wird. Bitte verstehen Sie es als Anregung und fühlen sie sich zur Diskussion eingeladen. Sie können das Dokument in voller Grösse ansehen und kommentieren, wenn Sie auf den grünen Crocodoc-Schriftzug klicken, alternativ geht auch der Download.



Die Perspektive dieses Papiers, das sich auf einen Zeitraum von 10 oder mehr Jahren bezieht:

1. Die Digitalisierung ist weit mehr als das Internet oder gar Social Media. Digitalisierung bedeutet, das weiß jedermann, dass analoge Information in binäre Information  umgewandelt. Der Begriff meint aber auch ein hierauf aufsetzenden Prozess, bei dem alle Handlungen gemessen, algorithmisch bewertet, simuliert werden können. Er bedeutet auch, dass Handlungen als Prozesse und deren Teilprozesse betrachtet werden können, wobei man Prozesse misst, um sie zu standardisieren, zu verkürzen, zu beschleunigen. Allein durch diesen Prozess wird sich Politik verändern, das letzte wichtige Teilsystem der Gesellschaft vor Kunst und Religion, das noch nicht digitalisiert ist. Plakativ: Erst messen, dann meinen – wie Google. Law is Code – Prozesse kann man wie präzise definierte Schritte im Software Engineering ansehen, von der Anforderung bis zum Bugtracking und Releasemanagement. (Und hier die leider unvermeidbare Fussnote:1)

2. Es ändert sich das Mediensystem und das die Kommunikation innerhalb des Publikums und somit die Umwelt der Politik. Das hat Konsequenzen für die Politik selbst.

3. Es ändert sich dramatisch, wie Politik mit ihrer Umwelt kommunizieren wird.

4. Es ändern sich die Organisationsformen der Politik, weil Organisation sich nach den Erfordernissen entwickelt, und diese sind komplexer und diverser als früher.

5. Es ändern sich die Akteure der Politik, insbesondere die Parteien.

Man muss sich einfach nur klarmachen: Der Computer und das Internet erlauben neue soziale Handlungen, und die werden eintreten, wenn sie Nutzen stiften. Deswegen ist die typische Haltung der meisten Politiker, die ihre Autonomie nicht eingeschränkt sehen möchten und deswegen meinen, die Änderungen irgendwann selbst noch vermeiden zu können, zwar richtig, aber falsch: Es kommt nämlich, wie es kommt, weil es gut ist. Technik ist das Ergebnis sozialer Prozesse und Technik prägt soziale Prozesse, so geht es hin und her. Man kann nicht erst das Auto erfinden und dann noch von Berlin nach München zu Fuss gehen wollen, wenn man eine Aufgabe hat, die weltlich ist.

Es würde mich sehr freuen, wenn es zu dem Papier Anmerkungen gäbe. Sie können entweder hier unten oder auch im Dokument selbst vorgenommen werden. Ich habe versuchsweise die Plattform Crocodoc benutzt und die Rechte sollten so eingestellt sein, dass jeder kommentieren kann.

 

Fußnote 1: Die Aussage, dass die Digitalisierung in binäre Formate überführe, ist leider falsch. Sie könnte auch in beliebige andere Symbole überführen, mit denen Computer operieren können, wobei die Pointe daran ist, dass der Computer eben ohne die Bedeutung der Symbole operiert. Die Bedeutung weisen wir den Symbolen zu. Außerdem fehlt im ganzen Absatz der Aspekt, dass Computer Kommunikationsmittel sind; das ist heute jedermann klar (für manche Social Media Fans scheint er nur noch das zu tun), daher wurde es hier nicht aufgeführt.

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16 Komentare zu
“50 Thesen – Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf die Politik”

  1. Der Vergleich Softwareentwicklung und Regierung ist genial.
    Es müsste meiner Ansicht nach eine Stelle im Staat geben, die sich mit der Softwareentwicklung für politische und gesellschaftliche Zwecke beschäftigt. Eine Team aus eigenen Staatsentwicklern und Projekt-Managern, die Aufträge an privatwirtschaftliche Unternehmen vergibt.

    Allerdings sollte eine Gesellschaft auch ohne Netz Handlungsfähig bleiben. Und man müsste auch Bürger berücksichtigen, die das Netz ablehnen.

  2. zu1. Finde die Spannung zwischen zunehmender Diversität und möglicher Desorientierung gut dargestellt. Die Schlussfolgerung in 1.4 „Auf der Agora braucht es keine Medien“ leuchtet mir nicht ein, ich würde eher das Gegenteil vermuten, gerade wegen der zunehmenden Vielfalt der öffentlichen Meinungen.

    zu 2.2: Es handelt sich wirklich „nur“ um eine Minderheit, sogar eine kleine. Darum erscheint mir die Schlussfolgerung in 2.4 sehr unsicher.

    zu 6.3: Dies könnte / sollte als Überschrift der Abschnitte 3 – 5 dienen – und passt auch zu den Perspektiven, die die Thesen insgesamt vermitteln: Wie vermeide ich, hiermit auch nur einen „Hype der Technokraten“ zu befeuern?

    Dass sich die Rollen nicht nur in, sondern auch der Parteien ausdifferenzieren werden (8.5), gilt allein schon durch die wachsende Komplexität und Individualisierung der Gesellschaft, Digitalisierung ist da nur ein Faktor.

    Wie 9.4 funktionieren soll, kann ich mir nicht vorstellen.

    Summa: Sehr interessante und zugespitzte Thesen, mir etwas zu einseitig technokratisch und in der Beschreibung der gesellschaftlichen Auswirkungen zu „sicher“: Es geht um *Möglichkeiten*, die so eintreten können, deren Wahrscheinlichkeit allerdings noch sehr offen ist. Der Zeitraum von 10 Jahren ist viel zu kurz bemessen, und es wird mit Sicherheit noch recht anders kommen (Momente der Trägheit, Konsumorientierung, Eskapismus, Individualisierung, Segmentierung, Irrationalität usw.).

    Es ist aus meiner Sicht noch durchaus unentschieden, was von den beschriebenen Tendenzen zur „politischen Kultur“ und was nur zu einer Subkultur von Spezialisten, Technokraten und Nerds wird (ist).

  3. Christoph Kappes sagt:

    @Bernd Viehmann: Ja, das Thema Digital Divide ist ernst, das habe ich hier ausgeklammert, weil ich davon nicht genug verstehe.

    @Reinhart Gruhn: zu 2.2.-4. Die Minderheit wirkt, im Unterschied zu analogen Zeiten, direkt in den Nachrichtenstrom der Mehrheit und hat hier einen Hebel, siehe zur Mitte 2011 auch eine Studie, wonach 10% der Population der Grenzwert sind, ab dem andere die Meinung adaptieren (unter sehr engen Studienbedingungen, zugegegeben). Ich denke übrigens, dass wir – unter der Voraussetzung, dass wir einen Grössenordnung von 70% Nutzung der sog sozialen Medien erreichen, woran ich ernsthaft glaube – es inhaltlich mit ganz anderen Meinungen als heute zu tun haben werden. Selbst ich habe punktuell schon Verschwörungstheorien für überlegenswert gehalten, obwohl ich die Beteiligten persönlich kenne 😉

    Insgesamt ist der Text sicherlich zu sehr vom Internet und der Technik her gedacht. Das liegt einfach daran, dass das mein Home Turf ist und die politisch-sozialen Aspekte eher angelesenes Hobby. Ich würde mich sehr freuen, wenn ein interdisziplinäres Team von Wisschenschaftlern einen ähnlichen Wurf wagen würde oder man das irgendwo gemeinsam fortsetzen könnte.

    Übrigens übertrage ich einige Aspekte aus der Wirtschaft, NICHT aus der Internetszene. Den zunehmenden Einsatz von Werkzeugen sehe ich dort – Incident Management, Supportforen und Bug/CR-Tracking sind inzwischen normal und kosten nichts. Das wird weiter gehen! Daztu gehört auch ein anderer Aspekt Wir diskutieren dort bei den Konzernen, die ich selbst lange live erlebt habe und bis heute erlebe, keine „Meinungen“ mehr, da wird gemessen, da wird rational argumentiert, da werden A/B-tests gemacht. Das war früher anders, da hat sich der Patriarch hingestellt und seine Meinung gesagt. Das zeigt umgekehrt auch auf Schwächen/Stärken, das ist im Steve Jobs mit einem hohen Mass an treffsicherer Intuition vs Google mit sehr viel Testverfahren.

    Solche Themen wie Design Thinking müssten mE dringend mal in der Politik ankommen.

  4. Emil Blume sagt:

    »Man kann nicht erst das Auto erfin­den und dann noch von Ber­lin nach Mün­chen zu Fuss gehen wol­len, wenn man eine Auf­gabe hat, die welt­lich ist.«

    Wenn sich abzeichnet, das die individuelle Motorisierung eine Sackgasse ist, weshalb sollte man dann nicht zu Fuß gehen, oder entsprechende Alternativen zu suchen.

    Ich denke es ist eher unsinnig, technische Erungenschaften um jeden Preis zu akzeptieren.

    Anders gesagt, wir haben das Atomkraftwerk erfunden und steigen trotz »weltlicher Aufgaben« aus der Technologie aus!

    1. Christoph Kappes sagt:

      Lieber Emil Blume,

      ich hatte beim Schreiben einen schelmischen Gesichtsausdruck, weil ich mir vorgestellt habe, dass jemand so antworten könnte wie Sie. Deswegen ist mein Satz so provokant ausgefallen. Danke schön, das ist eine Steilvorlage.

      Ihr Satz 1: „Wenn sich abzeich­net, das die indi­vi­du­elle Moto­ri­sie­rung eine Sack­gasse ist, wes­halb sollte man dann nicht zu Fuß gehen, oder ent­spre­chende Alter­na­ti­ven zu suchen.“
      Meine Antwort: Ja, wenn sich das abzeichnet. Aus meinem Blickwinkel zeichnet sich aber das Gegenteil ab: Politische Prozesse sind zu langsam und das gefährdet die Legitimation durch Verfahren, weil Verfahren wie S21 mit 15 Jahren am Ende zu anderen Sachverhalten und auch zu „anderen Bürgern“ führen. In einer komplexer werdenden Welt muss auch die Politik insgesamt professioneller werden. Derzeit reiten sie mit Pferden. Lassen Sie uns die Politik bitte erstmal Auto fahren, dann sehen wir weiter. (Ich meine nicht die Ausstattung mit iPads: mir geht es um den behutsamen Umbau politischer Prozesse oder jedenfalls die Diskussion und Pilotierung derselben).
      Ihr Satz 2: „Ich denke es ist eher unsin­nig, tech­ni­sche Erun­gen­schaf­ten um jeden Preis zu akzeptieren.“
      Meine Antwort: Wer hat denn das gesagt, dass das „um jeden Preis“ zu tun sei? Niemand. Ich habe gesagt, dass es eine innere Logik von sozialer Akzeptanz von Technik gibt, weil sie Nutzen stiftet. So ist es mit Open Government, hier soll IT Transparenz schaffen, an anderer Stelle eben Effizienz – und das ist nichts böses, sondern der seit Jahrtausenden anzufindende Versuch des Menschen, seinen Aufwand für das gewünscht Ergebnis zu mindern.
      Ihr Satz 3: „Anders gesagt, wir haben das Atom­kraft­werk erfun­den und stei­gen trotz »welt­li­cher Auf­ga­ben« aus der Tech­no­lo­gie aus!“
      Im Unterschied zur Atomkraft ist der Computer „an sich“ eine sozial beherrschbare Technik. Das ist jedenfalls meine Sicht. Fehler können und müssen wir korrigieren – und nichts anderes tun wir seit 40 Jahren im Datenschutzrecht. So wird es bleiben. (Ausnahmen sind natürlich dort zu diskutieren, wo der Einsatz von Computern schweren Schaden anrichten kann oder ethisch verwerflich sein kann, z.B. im Bereich Robotik/Drohnen. Aber darum geht es hier in diesem Text ja nicht.)

      1. Emil Blume sagt:

        Lieber Herr Kappes,

        mal etwas ausführlicher, Sie schreiben:

        »In einer kom­ple­xer wer­den­den Welt muss auch die Poli­tik ins­ge­samt pro­fes­sio­nel­ler wer­den«

        Dazu muss ich Ihnen antworten, das die Welt keineswegs komplexer wird. Das Gras wächst wie bisher, es finden keine größeren Umwälzungen der Lebensbedingungen statt. Lediglich der Mensch nutzt komplexere Mechanismen und Werkzeuge um materielle Gewinne, oder Macht an sich zu binden.

        Wenn Sie unter Politik verstehen, dass Aufgaben, Fragen und Probleme, die den Aufbau, den Erhalt sowie die Veränderung und Weiterentwicklung der öffentlichen und gesellschaftlichen Ordnung anbelangen, geregelt werden, pflichte ich Ihnen bei, dass unsere Stellvertreter Demokratie dazu in der jetztzigen Form nicht geeignet ist. Allerdings weniger, weil moderne Methoden fehlen, sondern vielmehr weil systembedingt massive Korruption auftritt. Ich kann mir nicht vorstellen, das sich durch den Wechsel des Transportmittels (vom Pferd zum Auto) die Inhalte ändern. Der Ansatz erschliesst sich mir so folglich nicht.

        1. Christoph Kappes sagt:

          Meine Formulierung „in einer komplexer werdenden Welt“ bezieht sich nur auf das, was „Welt“ des Menschen ist, also zwangsläufig auf seine Welt, die er mit seinen Werkzeugen geschaffen hat. Da sind wir uns einig, Formulierungsfrage, „Welt-„Begriff.
          Wenn, wie Sie glauben – leider fehlt mir dafür eine Untermauerung – „Korruption“ auftritt, so wird die Digitalisierung, in welchem Sinne auch immer, auch nach meiner Meinung dem nicht abhelfen. Viele glauben aber, dass Transparenz helfen würde. Ich bin da skeptisch, weil es keine 100%ige Transparenz geben kann und schon die kleinste Lücke von zehn Sekunden Intransparenz das Ziel unterläuft. Das ist nämlich der gefüllte Briefumschlag, dem man dem anderen in die Tasche steckt.

  5. Emil Blume sagt:

    Aus meinem Blickwinkel zeichnet sich ab, dass individuelle Motorisierung eine Sackgasse ist.

    Wie stellt sich das denn dann aus Ihrem Blickwinkel dar?

  6. Christoph Kappes sagt:

    Von dieser Fragestellung verstehe ich leider zu wenig. Wenn die Energieform Öl nicht abgelöst wird, dann ist das wohl so.
    Ich persönlich vermute, dass Sharing die erste Lösung ist, in die gleich Richtung geht es ja auch langsam bei IT.
    Ausserdem kann die It-gestützte Logistik viele Prozesse abwickeln. Ansonsten vermute ich, dass die Menschheit irgendwann zentrale Bewegungsmechanismen hat und nicht mehr dezentrale, die können dann geshared werden.
    Übertrieben gesagt: Stufe 1 ist das Teilen von Autos. Stufe 2 ist it-gestützte Automatisierung und Logistik, dh die Logisitk wird wie bei Containerschiffen/Hafenlogistik so gut, dass man günstig die wöchentlich benötigte Ware bekommt. Stufe 3 könnten neue soziale Ballungsräume sein, bei denen die Bewegung durch Förderbänder o.ä erledigt wird, so dass die Energieverbraucher sich verlagern. Das wird aber leider nach meinem Tod sein, und das auch nur dann, wenn die Bevölkerungsdichte bei lokalen Ballungen aufrechterhalten werden kann. Letzteres ist meines Wissens nicht der Fall.
    Aber wie gesagt: ich verstehe davon nichts. Reine dahingemeint.

  7. „Auf der Agora braucht es keine Medien“ Wirklich?

    Bestand und besteht eine der zentralen Aufgaben von Medien nicht darin, Komplexität so zu reduzieren, dass dem Publikum ein größeres Ganzes zugänglich gemacht wird? (wie erfoglreich dies noch geschieht, ist eine andere Diskussion).

    Transparenz ist ja keineswegs gleichbedeutend mit Verständlichkeit: Was also wären die Voraussetzungen, damit netzbasierende Demokratieprozesse nicht schon nach kurzer Zeit in demagogischen Mechanismen enden – gesteuert von einer Mischung aus technisch gesteuerten Kommunikationsstrategien und den erwähnten Persoonen-Superhubs?

    Eine der wesentlichen Herausforderung der Digitalisierung für den Menschen besteht für mich im Paradoxon, dass zwar alles für alle in zunehmend grenzenloser Transparenz einsehbar wird, dies aber keineswegs zu mehr Klarheit oder Durchblick führt, sondern eher gegenteilig zu wirken scheint (siehe dazu z.B. Schirrmachers Thesen in „Payback“. Sascha Lobo in seiner Kolumne auf SpOn:
    Die Auswahl, wen man um Rat fragt, bestimmt die Antwort. Was sich im Kleinen überschaubar anhört, wird in der Überkomplexität des Internets zum Problem. (4.5.2011 „Im Netz der Besserwisser“)
    Vielleicht gibt es so etwas wie einen automatischen Zynismus des digitalen Zeitalters, fast alle Fakten zu allen Missständen herausfinden zu können und sie anschließend ignorieren zu müssen. (2.3.2011 „Überdosis Weltgeschehen“)

    1. Christoph Kappes sagt:

      Hm, das Agora-Zitat ist nur in der vierten These des Abschnittes (1) Medien. In der ersten These heisst ja schon, dass Massenmedien weiter existieren werden – und dass es dafür drei gute Gründe gibt.
      These Nr. 4 mit dem Zitat „auf der Agora braucht es keine Medien“ bezieht sich nur auf den in These 4 genannten Fall:
      „Soweit das Publikum selbst schreibt und direkt mit Politikern kommuniziert, werden Mediatoren ausgeschaltet.“
      Anders gesagt: Politiker, die mit dem Publikum reden, brauchen dafür keine klassischen Medien wie Zeitung, Radio, TV. Und Komplexität können sie hoffentlich selbst am besten reduzieren, weil sie ihre Standpunkte erklären, im Dialog und direkt.
      Zu den Vermutungen Schirrmachers und Lobos kann ich hier auf die Schnelle nichts sinnvolles sagen. Ich weiss auch nicht, ob beide Personen wirklich ihre These stützen würden, dass das Internet zu weniger Klarheit und Durchblick führt. Warum glauben Sie das? Und, wenn ich das direkt fragen darf: warum sind Sie ggf mit diesem Glauben bei D64 eingetreten?

  8. Hm. Vielleicht war mein Kommentar wieder mal zu hastig hingehackt (darf sich in Diskussionen einmischen, wer nicht die Zeit hatte, gründlich zu Ende zu denken und ordentlich zu formulieren?)

    Ich glaube nämlich durchaus, dass das Internet eine enorme Chance für die Demokratie darstellt und stehe dem Lager der Netz-Fanboys wesentlich näher als dem der Internetskeptiker. Trotzdem halte ich es zum gegenwärtigen Zeitpunkt für alles andere als entschieden, ob das Netz unter dem Strich wirklich zu mehr Demokratie führt oder zu mehr Unfreiheit.

    Genau daran gilt es zu arbeiten – und dazu will ich beitragen, wenn auch nur im Rahmen meiner begrenzten Möglichkeiten. Das ist der Grund für mein Engagement bei D64.

  9. …dass man also im vollen Bewusstsein, dass keine Unterwerfung vollkommener ist als die, die den Anschein von Freiheit wahrt (Rousseau), sehr genau darauf zu achten haben wird, dass der Preis nicht zu hoch wird für jene Freiheit, die uns das Internet verheißt… (auch das ist keineswegs pessimistisch zu verstehen, sondern)

  10. Das liest sich ja alles gut und plausibel, aber auch bei einem nicht-wissenschaftlichen Thesenpapier frage ich mich, wie Du Thesen zur Zukunft der Politik formulieren kannst, ohne ein fundamentales Konzept davon vorzustellen, wie sich Macht konstituiert und wie sich normative Ordnungen ausprägen, denn genau darum geht es in der Politik.

    Interessant in diesem Zusammenhang finde ich, dass Du auch hier wieder, wenn ich das richtig verstehe, das Netzwerk-Paradigma als etwas Neues betrachtest. Ich plädiere für das Gegenteil. Netzwerke sind der Ursprung sozialer Systeme und erst, wenn wir verstehen, wie sich in ihnen Macht konstituiert, können wir plausibel abschätzen, wie sich die Digitalisierung auswirkt. Dazu der folgende Lektüretip:

    http://www.scilogs.de/chrono/blog/natur-des-glaubens/netzkulturen/2012-01-28/soziale-netzwerke-schon-bei-j-gern-und-sammlern-harvard-studie-zu-den-hadza

    Und das englische Original:
    http://www.scilogs.de/chrono/blog/natur-des-glaubens/netzkulturen/2012-01-28/soziale-netzwerke-schon-bei-j-gern-und-sammlern-harvard-studie-zu-den-hadza

    1. Christoph Kappes sagt:

      @Sascha Stoltenow Nein, das Netzwerk-Paradigma betrachte ich nicht als etwas Neues. Netzwerke waren immer schon da. Bitte mich nicht mit Leuten verwechseln, die Vorträge über „kreisende Erregungen“ und ähnliches halten.

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