27.01.2016

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Kommentarkultur und Zivilisierung durch Recht

Gestern habe ich auf Twitter angesichts einer unberechtigten Löschung durch Facebook eine zugegeben etwas kesse Frage mit verschiedenen Mittwitterern diskutiert:

Eine der Antworten, ebenso kess, kam von Michael Seemann:

Wir haben uns dann verabredet, um die Diskussion per Skype fortzusetzen, und haben das Gespräch aufgenommen, das hier abrufbar ist:

Hier eine Beschreibung meiner Position als eventuelle Alternative zum einstündigen Audio:

tl;dr: Die Entwicklung von einseitigem Handeln („weil ich es kann“) zu Recht ist ein Akt der Zivilisierung. Wer über den Umgang mit unerwünschter Online-Kommunikation in einer zivilisierten Form nachdenken will, muss über eine Verrechtlichung nachdenken in dem Sinne, dass Elemente eines ausgereiften Rechts aufgegriffen werden: Klare Normen, Verfahrensrechte, Beschwerdewege, Transparente Rechtsprechung, Offene Normenkultur.

Aus meiner Sicht ging es darum, meine Skepsis gegenüber der verbreiteten Forderung weiter auszuformulieren, Facebook solle mehr löschen.

Ich bin nämlich nicht nur der Meinung, dass die sonst anzufindende Diskussion das unbestreitbare Phänomen von verbalen Entgleisungen gewissermaßen falsch herum deutet: wir sehen hier etwas, was in Teilen der Gesellschaft bereits angelegt ist. Natürlich prägt auch das Kommunikationsmittel die Kommunikation (-> McLuhan), aber die Gründe für diese Denkweisen sind schon vor dem Kommunikationsakt auf Facebook angelegt. Wer löscht, will das Ergebnis einer unerwünschten Handlung rückgängig machen, die bereits geschehen ist. Es mag bei Printprodukten sinnvoll sein, weil die Handlung dann nicht mehr fortwirkt, in digitalen Räumen ist es aber weitgehend wirkungslos, da andere Personen sofort reagieren, das corpus delicti kopieren und so die Handlung meistens noch verstärkt wird. Zur Löschung kann man freilich mit guten Gründen auch einen anderen Standpunkt vertreten.

Vor allem bin ich der Meinung, dass es Unternehmen nicht ohne weiteres zusteht, einseitig Kommunikationsregeln zu definieren. Diese Regeln müssen in der Zivilgesellschaft und im politischen Raum verhandelt werden; das Unternehmen ist Teil dessen und selbstverständlich sprachberechtigt, jedoch gehen Kommunikationsregeln alle Nutzer an, und diese müssen durch einen Entscheidungsprozess legitimiert sein, damit sie Akzeptanz finden. Das massenhafte Anklicken eines zentral vorgegebenen Regulariums mag rechtlich eine Zustimmung zu diesen Regularien sein, es erfüllt aber nicht einmal Mindestanforderungen an eine legitimierende Debatte. Ich empfinde es als verstörend, dass man immer wieder diesen politischen Standpunkt versucht mit dem rechtlichen Argument über die Freiwilligkeit der Teilnahme und der Zustimmung zu Nutzugsbedingungen zu beantworten, denn eine politische Frage über ein (neues) SOLLEN kann nicht mit einem (alten) rechtlichen IST beantwortet werden. Ich empfinde ebenso die auch unter Bloggern verbreitete Meinung eines „Hausrechts“ als problematisch, weil es an das Hausrecht in der Kohlenstoffwelt anknüpft, das an Eigentum (und hiervon wiederum als Besitz) abgeleitet ist. Wie kann ein (im Digitalen ohnehin nicht vorhandenes) Eigentumsrecht oder gar faktischer Besitz zu Eingriffen in Meinungsäußerungen berechtigen, müssten wir da nicht mindestens über Verletzungen eines Besitzrechtes oder einen Schaden reden? Auch die Begründung „weil ich es kann“ ist spätestens dann recht dürftig, wenn es sich um geplante und massive Kommunikationseingriffe durch einen weltweiten Plattformbetreiber handelt. Kurz gesagt: hier muss noch Begründungsarbeit geleistet werden.

Nun zum Inhalt der einstündigen Diskussion:

Ich glaube, dass Facebook den Anspruch an „gerechte“ Maßnahmen (Löschungen, Accountsperrungen etc.) nur sehr schwer leisten kann. Dies ist nicht nur eine ökonomische Frage, im Zweifel hülfe hierzu ja Geld, das aus laufendem Cash Flow von Facebook selbst bereitgestellt werden könnte. Es ist eben auch eine strukturelle Frage, denn

  1. der Vorgang, eine Norm (Nutzungsbestimmungen) auf einen Lebenssachverhalt („Kommentartext“) anzuwenden, ist die juristische Kernfunktion des Subsumierens. Eine anspruchsvolle Tätigkeit, welche beispielsweise mit Analogien arbeiten muss, da jeder Fall anders nicht.
  2. Gesellschaftlich geht es gar nicht ums Löschen oder Nichtlöschen. Es geht darum, einen politisch-sozialen Konflikt einzudämmen und in sozial verträgliche Bahnen zu lenken. Hierfür darf das Löschverhalten nicht willkürlich sein und muss inhaltlich-materiell legitimiert sein. Alles andere wirkt nicht, weil es die Funktion von Recht eben nicht erfüllen kann, friedensstiftend zu wirken: wer sich durch Löschung ungerecht behandelt fühlt, wird erst recht entsprechend handeln, schon weil ihm eine anonyme Instanz bürokratisch eine Entscheidung verkündet hat.
  3. Recht wird erst nachvollziehbar, wenn es Generalklauseln vermeidet. Die Nutzungsbestimmungen von Facebook erledigen alle Sachverhalte jedoch mit einem Dreizeiler. Dies ist nicht ausreichend. Klauseln, die nachvollziehbar sein sollen, sind sehr viel ausführlicher und mit Beispieln versehen. Solche Nutzungsbestimmungen mit Generalklauseln genügen dem befriedenden Anspruch nicht.
  4. Nutzungsbestimmungen sind weitgehend statisch. Recht hingegen wird kollektiv und institutionell fortentwickelt: Gerichte entscheiden, ihre Urteile werden veröffentlicht, Fachjuristen debattieren in Fachzeitschriften und arbeiten an Monografien, die Gesetzesentwicklung wird in Protokollen festgehalten und bereitgestellt. Recht ist dynamisch, Nutzungsbestimmungen (auf heutigem Stand!) sind nicht dynamisch.
  5. Die Legitimation von fortentwickeltem Recht kann nur hergestellt werden, wenn die Gründe für die Fortentwicklung transparent werden
  6. Im Recht gibt es definierte Verfahren, bei denen der Beschuldigte Rechte hat, deren Nichteinhaltung das Verfahren ungültig macht. Facebook leistet nichts davon, nicht einmal eine einfachste schriftliche Anhörung.
  7. Im Recht gibt es Eskalationswege, um Entscheidungen anzufechten. Facebook hat nichts dergleichen.

Warum argumentiere ich mit Recht, was hat Facebook mit „Recht“ zu tun? Recht mag für viele wahrgenommen werden als: formalistisch, kalt, teuer – und das ist es mitunter auch. Recht ist aber auch eine gesellschaftliche Institution in dem Sinne, dass es aus verfestigten kulturellen Handlungen besteht. Die Entwicklung von Recht ist ein Fortschritt in Richtung einer zivilisierten Gesellschaft. Und ein wirklich zivilisierter Umgang mit Hasskommentaren, menschenfeindlichen Äußerungen usw. muss daher ansatzweise diese Kriterien erfüllen:

  • Viel klarere und ausgefeiltere Normen statt dreizeiliger Aufzählungen in Nutzungsbestimmungen
  • Angesichts der Grösse und Bedeutung von Facebook dürfen die Normen nicht frei im Sinne von Vertragsfreiheit Facebooks gesetzt werden, sie müssen in irgendeiner Weise vorher sozial verhandelt werden.
  • Facebook muss seine Verfahren transparenter machen (dies ist eine politische Forderung), und die Ergebnisse und Entscheidungen sollten ansatzweise nachvollziehbar sein (z.B. ein Blog mit wöchentlichen Beispielen).
  • Wenn es schon kein Anhörungsrecht gibt, muss es wenigstens Beschwerdewege geben
  • Beschwerdeinstanzen dürfen nicht mit den zuvor entscheidenden Instanzen identisch sein (vergleiche Gewaltenteilung, Gerichtszüge)

Es gibt viele Wege, wie man die Problematik sinnvoll angehen kann. Ich sehe aber nicht, wie Facebook oder irgendein anderes Unternehmen hier zu legitimen und damit befriedenden Lösungen kommen soll. Es bedarf organisatorischer Ausgliederungen (Ombudsmann o.ä.), besser unabhängiger Organisationen (Stiftungen, evtl. Multi-Stakeholder-Organisationen) und ohne einen begleitenden Kommunikationsprozess wird mit Löschungen und Sperrungen – egal wo im Internet – die Lage nicht verbessert. Soweit hierzu Kosten anfallen, kann man sie über eine Art „Community-Abgabe“ der Betreiber decken.

tl;dr: Die Entwicklung von einseitigem Handeln („weil ich es kann“) zu Recht ist ein Akt der Zivilisierung. Wer über den Umgang mit unerwünschter Online-Kommunikation in einer zivilisierten Form nachdenken will, muss über eine Verrechtlichung nachdenken in dem Sinne, dass Elemente eines ausgereiften Rechts aufgegriffen werden: Klare Normen, Verfahrensrechte, Beschwerdewege, Transparente Rechtsprechung, Offene Normenkultur.

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9 Komentare zu
“Kommentarkultur und Zivilisierung durch Recht”

  1. Fritz Iv sagt:

    Dein Standpunkt scheint mir im Großen und Ganzen richtig zu sein, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es nicht unterhalb der rechtlichen Standards auch Übereinkünfte gibt, „was man tut und was nicht“. Beispielsweise gab es neulich einen „Penisskandal“ bei dem FC Paderborn: Ein Spieler muss sich nachts um halb eins in einem Mannschaftshotel unten herum entblößt. Da werden Scham-Standards angesprochen und in der Gesellschaft gelten auch in verbaler Hinsicht eine Fülle von Scham-Standards, die uns doch meistens erfolgreich daran hindern, anderen Menschen ständig die verbale Faust ins Gesicht zu schlagen. Trotzdem führt wohl kein Weg daran vorbei, für so etwas wie Facebook erst einmal Standards möglichst klar und eindeutig zu definieren. Facebook hat ja schon eine geradezu vorbildliche Praxis im Bereich primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale. Da weiß jeder, dass Facebook das nicht mag und ohne Ansehen der Person oder möglicher guter Absichten geradezu mit algorithmischer Verlässlichkeit handelt. Das ist zwar etwas sehr prüde, schafft aber eine Klarheit, die auch der Dümmste versteht und über die man nicht viel diskutieren muss.
    Würde man Entsprechendes für verbale Standards verlangen wollen? Menschen, die jederzeit andere ganz exzellent „durch die Blume“ fertigmachen können, würden das vermutlich begrüßen, wenn die Leute, die das nicht können, noch zusätzlich diskriminiert würden 😉 … Worte funktionieren aber einfach nicht so wie Brustnippel-Bilder („Ihr Beitrag wurde nicht angenommen, das Wort ‚Tod‘ ist verboten“), man müsste dann schon – wie du sagst – mit vielen Beispielen arbeiten, ständig begründen, zwischen Ausnahmen und Nicht-Ausnahmen entscheiden.
    Wenn man die Überwachung der Löschverfahren, die superklare Verhaltensregeln voraussetzen, dann in die Hände eines Community-Gremiums legen würde, entstehen weitere Probleme: Wenn die aktive Mehrheit gerade eine bestimmte politische Richtung favorisiert und so imstande ist, das Gremium zu beherrschen, was denn dann? NIcht einfach. (Da kann man eventuell vom Schiedsrichter-Management des DFB lernen, aber auch dafür braucht es dann ein kluges Setup.)
    Ein anderer Punkt ist schließlich vielleicht dieser: Das Rabaukentum scheint *das* Drama der großen Reichweite zu sein (es dürfte auch die Entwicklung von Facebook Richtung höherwertiger Werbezielgruppen beeinträchtigen 😉 ) Sonst, sagen wir mal bei medium.com, geht es ja fast schon zu zivilisiert und anti-kontrovers zu, etwa auf dem Niveau einer gediegenen Hotel-Bar. Nur an den Punkten, wo anonyme Massen zusammenlaufen, tendieren sonst gültige, vorrechtliche Standards dazu, von Einzelnen aufgegeben zu werden (vergleiche Hooligans bei wichtigen Fußballspielen). Ich frage mich, wie weit einem Nutzer zuzumuten ist, in seinem eigenen Netz-Verhalten dies zu berücksichtigen? Also: Sollten die Vorgaben für die Stilistik auf Facebook auch nur diesem Massenumfeld entsprechen? Andererseits ist es nicht unberechtigt, wenn die ZEIT oder die FAZ den LeserInnen engere Nutzerbedingungen diktiert, weil die FAZ eben nicht will, dass es unter den Artikeln zugeht wie bei Facebook. Ich kann ja nicht in eine Hafenkneipe gehen und dann vom Wirt verlangen, er sollte das Gesprächsniveau gefälligst auf das Niveau hochschrauben, das ich („und viele meiner Freunde finden das auch!“) für tolerabel halte.
    Schließlich ist die Frage, warum sich der Staat überhaupt einmischen sollte, wenn Menschen auf Facebook unterhalb der üblichen Konventionen mörderisch herumbrüllen? Dazu bedürfte es ja einer Gefahr für alle, z.B. für die Demokratie oder die allgemeine Arbeitsmoral oder sonst irgend etwas. Das ist aber noch nicht klar. Es gibt zwar schon einige Verdachtshinweise, dass die sprachlichen Entgleisungen ansteckend wirken und nicht folgenlos sind, aber das ist alles andere als gesichert. Die Zunahme von politischen Straftaten kann auch mit dem zu tun haben, wie sich rechte Gruppen heute auf ihren speziellen eigenen Websites hochschaukeln, wie sie sich per Whatsapp verabreden, wie die Gespräche vor Ort auf dem Gemüsemarkt und am Arbeitsplatz laufen oder sogar mit der Berichterstattung im Fernsehen und last not least: wie alle diese Ebenen miteinander gekuppelt sind). Wer will denn sagen, ob Facebook nicht sogar eher dämpfend wirkt, weil hier die Abschottung gegen anders Denkende eben nie ganz gelingt? Vielleicht ist es ja gut, dass es wenigstens diesen Platz im Netz gibt, wo die Auseinandersetzungen für alle Seiten als solche erkennbar werden und mal ordentlich aufeinanderprallen? Dann ginge es eben nicht um Löschen und Stummstellen per Algo, sondern im Gegenteil um das öffentliche Hervorheben der schlimmsten und blödesten Postings. Wenn die Abschottung von extremen Gruppen bei gleichzeitiger erhöhter und vereinfachter Binnenvernetzung die eigentliche Gefahr sind, müsste man dann nicht zum Beispiel geschlossene Gruppen verbieten, sofern dort – unsichtbar für die Allgemeinheit – gehetzt wird? Und in ganz anderen Ecken des Internets? Ist das unsichtbare, aber trotzdem weitreichende Hetzen vielleicht der Knackpunkt? Also die fehlende sogenannte „soziale Kontrolle“?

    1. Christoph Kappes sagt:

      Da bringst Du einige gute Punkte auf.
      Erstens: Ja, selbstverständlich gibt es soziale Regeln, die unverrechtlicht sind. Das ist. solange es funktioniert, immer die beste Lösung. Recht ist aber eben existent und „ultima ratio“, wenn es sozial allein nicht funktioniert. Das hat mit der latenten Gewalt zu tun, die hinter Recht steht. Man empfindet das im Alltag vielleicht nicht, aber nach Nichtbezahlen einer Rechnung kommt Zwangshaft=Knast oder Insolvenzantrag mit durchsetzbaren Pflichten, wenn man Pech hat.
      Zum zweiten müsste man tatsächlich unterscheiden zwischen dem blossen Versuch, das „Niveau“ festzulegen, und beabsichtigten inhaltlichen Eingriffen. Der inhaltliche begründete Eingriff kennzeichnet die problematische Grenze, etwa wenn das Wort „Neger“ als rassistisch eingestuft zu einer Sperrung führen würde. Mit diesem Beispiel sieht man vielleicht ganz gut, worauf ich hinaus will: Ein grünes Netzwerk, das „Neger“-Postings löscht, ein anderes tut es nicht.
      Zum dritten plagt auch mich schon länger der Gedanke, dass sich bei verbalen Entgleisungen etwas Luft macht, das nur auf diese Weise nicht weiter in die Realität entweicht. So ist es ja beim Witz und beim Ausleben sexueller Phantasien häufig. Zumindest der Witz ist ja häufig die Form, wie wir erlaubt das Unerlaubte aussprechen.
      Auch mit dem öffentlichen Hervorheben der schlimmsten und blödesten Postings greifst Du eine Kultur auf, die ja gerade im Entstehen begriffen ist und meiner Einschätzung nach wirksamer als Löschungen sind. (Das ist nur bei Ehrverletzungen und Volksverhetzung sowie Gewaltaufrufen nicht möglich und auch nicht sinnvoll – auch deswegen sind die ja strafbewehrt.)

  2. eve massacre sagt:

    Doch noch angehört. Danke.
    Ich glaube, den Einspruch hatte ich schon mal gebracht: Warum denn ausgerechnet jetzt wegen dem schwurbeligen Versuch, Hasspostings zu löschen, an die rechtliche Decke gehen?

    Facebook ist doch eben keine Plattform, auf der alle alles für alle sichtbar posten können (denn dann fände ich so eine Diskussion über rechtliche Bedingungen von Löschung schon interessant). Facebook aber ist von vornherein gefilterte Rede. Facebook hat von vornherein personalisierte Timelines. Eben nicht wie Twitter, eben nicht wie ein Blog oder eine Zeitung. Und nicht wie ein Messageboard mit einer Moderation, der für einen sozialen Konsens an Mindesthöflichkeit sorgt.

    Facebook entscheidet auch ohne Löschung schon, wer etwas zu sehen bekommt oder nicht. Nach welchen Gesichtspunkten das geschieht, bleibt untransparent. Meine Timeline sieht völlig anders aus als eure. Das Löschen einzelner Postings – aus welchen Gründen auch immer – ist deswegen da doch nur eine unter vielen Varianten der Unsichtbarmachung. Die gewohnteste, ja, und die sichtbarste, ja, aber eben nur eine unter vielen, die alle problematisch oder nützlich sind – je nachdem. Wenn rechtliche Überlegungen, dann müssten andere Variationen der Unsichtbarmachung von Postings doch auch einbezogen werden.

    Dazu kommt die Frage, ob Facebook verstärkend (Echokammern) und abschottend (Filterbubbles) wirkt – ihr sprecht’s ja kurz an, am Beispiel der Studie über Verschwörungstheoriespiralen. Viralität u.ä. scheinen das ja zu tun: was am lautesten, provokantesten, emotionalsten etc. ist, funktioniert am besten. Auch hier wieder: die Plattform ist nicht neutral. Wenn eine Plattform Hassrede verstärkt, wäre auch hier interessant zu überlegen, ob und ab wo da rechtliche Grenzen gezogen werden sollten.

    Deswegen wäre ich durchaus auch für eine unabhängige Stiftung, aber für eine, die Facebook und Google zu Transparenz hinsichtlich ihrer Filterung und andere Möglichkeiten der Einflussnahme zwingt – eigentlich ein (irgendwas-mit-Demokratie-)Muss für Plattformen, die in großen Teilen der Welt inzwischen so eine zentrale Stellung in so vielen Gesellschaftsbereichen einnimmt. Aber das ist pure Theorie oder Utopie, deswegen bin ich um jedes Fitzelchen Opferschutz froh. Beim Löschen von Hassrede geht’s mir erst mal drum, die Rede- und Bewegungsfreiheit und soziale Vernetztheit von Betroffenen zu sichern. Da von „verbalen Entgleisungen“zu sprechen, die dann in der „Realität“ keine Folgen hätten, zeigt, dass du da doch in deiner Perspektive befangen bist, denn viele würden das wohl als Verharmlosung dessen, was Hatespeech mit Opfern macht, verstehen.

    1. Christoph Kappes sagt:

      Ich verstehe Deinen Kommentar weitgehend nicht, da ich nicht erkennen kann, welche meiner Ausführungen Du mit welchem Argument kritisierst.
      Dass sich etwa ohnehin persönliche Timelines ergeben hat was mit der Frage zu tun, wer wie mit welchen Mitteln und nach welchen Maßstäben eingreift?
      Den Begriff „verbale Entgleisungen“ habe ich absichtlich gewählt, weil ich einen Oberbegriff für eine Vielfalt von Äusserungen suche, die bei weitem nicht mit „Hatespeech“ abgedeckt sind, etwa bei Beleidigungen, Verleumdungen – von diesem Begriff halte ich auch nichts, weil er die Probleme eher verdeckt. Warum sollte ich ihn benutzen, wenn es Dutzende andere und differnziertere Begriffe gibt?
      Und bevor Du mich mit einem Mangel an Betroffenheit konfrontierst, den Dritte (!) äussern könnten: mach Dir ein Bild, wenn Du mich kennengelernt hast, danach kannst Du es ja formulieren. Ich vermute sogar, dass Du auf ein eigenes Vorurteil hereingefallen bist.

  3. thomas breitfart sagt:

    Ich finde die Meinung von Seemann erschreckend. Das ist ein neuer Linksfaschismus der gefährlich ist. „Ich wünche mir mehr Policing“, das Unternehmen recht sprechen UNTERHALB des Gesetzesrahmens ist völlig gut…. etc…

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