Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung über ein Leistungsschutzrecht für deutsche Presseverleger lässt erkennen, dass über zwei Jahre nach Beginn der Diskussion nur ein Kompromiß gefunden wurde, dessen materieller Sinn sich nicht ganz erschließt.
Ursprünglich ging es darum, einen Zahlungsanspruch und eine Verwertungsgesellschaft nach Art von GEMA oder VG Wort einzuführen, die zu einem Geld-Umverteil-Mechanismus geführt hätte, der kaum aufzuheben gewesen wäre. Über Zuflüsse von 3-4 Milliarden EUR wurde spekuliert. Was nun aber kommen soll, ist ein blanker Unterlassungsanspruch der Verleger – und es gibt weder Geld noch Strukturen. Das ist viel weniger, als von Verlegern angestrebt. Verbessert wird im Grunde nur der Aufwand für die Rechtsverfolgung, wo Verlage ihren Handel mit Nutzungsrechten nicht gut organisiert hatten: wer nicht für jeden Text ausschließliche Nutzungsrechte nachweisen kann, greift nun pauschal auf das neue Leistungsschutzrecht zurück. Damit entfällt aber auch eines der Argumente für den Erwerb vollumfänglicher Nutzungsrechte („Total Buyout“) von Autoren und das lässt Zweifel, ob Verlage sich mit einer solchen halbherzigen Regelung wirklich einen Gefallen tun.
Dabei ist bemerkenswert, dass es dem Gesetzgeber nicht gelingt, seine neue Idee zu kommunizieren. Tagelang bebte die Blogosphäre, die Regelungen seien unklar, es werde Blogger empfindlich treffen – angefeuert von Fragen der Netzpolitiker und Fachjournalisten, vor allem um den Begriff der „gewerblichen“ Verwendung und die Verwendung von Linktexten und Überschriften ohne jede weitere Aufarbeitung. Davon sind einige Bedenken nicht ganz von der Hand zu weisen, so ist es zum Beispiel unklar, ob ein Berufsjournalist „gewerblich“ schreibt, wenn er im eigenen Blog Presse-Überschriften Dritter benutzt. Diese Unklarheiten sind jedoch in frühen Gesetzesentwürfen die Regel und werden auch danach selten zur Ausnahme.
Schwerer wirkt, dass man im Bundesjustizministerium offenbar überhaupt nicht vor Augen hatte, wie das Internet funktioniert: Unkommentierte Themen-Linklisten sind eine wunderbare Übersichtshilfe und die Weitergabe von Links ist zentraler Verbreitungsmechanismus, der nur funktioniert, weil ein Link als inhaltsleerer Verweis durch Text und Bild als Sinnträger ergänzt werden muss, um verstanden zu werden. Wer ein Gesetz einbringt, das mit beidem nicht verträglich ist oder den Link vom Linktext nicht unterscheidet, hat sich fachlich disqualifiziert. „Regierung verbietet Linklisten auf Pressetexte“ kann nicht ernsthaft die intendierte Überschrift gewesen sein.
Aber auch die Kritiker verkennen, dass laut Entwurf ausdrücklich die gleichen Schrankenregelungen wie sonst im Urheberrecht gelten. Das ist in § 87 g IV gut versteckt, dort heißt es für die Zulässigkeit der Inhalte-Verwendung „Im Übrigen gelten die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 entsprechend“, womit auch das Zitatrecht besteht. Man kann also die ganze Diskussion im Grunde abkürzen. Es bleibt durch diesen Verweis nämlich alles erlaubt, was bisher auch erlaubt war, die Regelungen sind identisch. Dafür muss man aber verstehen, dass das bloße Zitieren fremder Texte ohne jede weitere Maßnahme bisher auch nicht erlaubt war. Die Zitierung „ohne weiteres“ wurde nur, wo sie geschah, geduldet, weil normalerweise kein wirtschaftlicher Schaden entstand, wenn ein Blog einen Auszug nur übernahm. Erlaubt sind und waren Zitate nach § 51 UrhG nämlich nur, „sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist“, und das bedeutet, dass das Zitat Ausdruck eigener geistiger Auseinandersetzung sein muss (von künstlerischen Ausnahmen einmal abgesehen). Das ist auf der Basis geltenden Urheberrechtes auch gut einzusehen: Nur der Urheber kann über Nutzungen an seinem Werk verfügen, und wenn sein Recht eine Schranke haben soll, so braucht diese Schranke einen guten Grund. „Einfach so zitieren“ reicht nicht.
EDIT 28.6.: Das blosse „Zitieren“ wäre nach diesem Entwurf allerdings nicht mehr erlaubt, wenn man einen Textauszug wiedergeben würde, der bisher keine urheberrechtliche Schöpfungshöhe erreicht. Dieses war nämlich bisher erlaubt, und zwar nicht erst wegen der „Erlaubnis“ durch das Zitatrecht, sondern logisch schon vorher, weil das Urheberrecht schon tatbestandlich nicht greift. Das wäre ein schwerer Eingriff in die Kommunikation der Öffentlichkeit, wenn man das neue Recht insofern wörtlich nimmt. Richtig kann aber auch das nicht sein, denn – das ist meine ganz persönliche Einschätzung – es kann das LSR blosse Satzteile und Wortschnipsel und ähnliches gar nicht erfassen dürfen, weil es sein Sinn ist, eine verlegerische Leistung zu schützen. Ich glaube daher, dass ein solches Gesetz von jedem verständigen Gericht im Lichte seines Zweckes reduziert ausgelegt werden müsste, dass eben doch der Textauszug erstens in irgendeiner Weise Sinn tragen muss und zweitens in irgendeiner Weise die verlegerische Leistung widerspiegeln muss, die bei verständiger Würdigung eben nicht in jedem Satz liegt (teleologische Reduktion). Verleger allerdings, die weiterhin darauf bestehen wollten, jeder hingerotzte Satz sei eine verlegerische Leistung (zB. wegen seiner Vorfinanzierung) entwürdigen sich selbst. Sicher gibt es hier Sonderfälle („Wir sind Schland“), aber die Regel ist das nicht.
Verlagsvertreter argumentieren sogar, es werde eine Einnahmemöglichkeit und somit eine positive Position für Blogger geschaffen, weil diese selbst ein Leistungsschutzrecht hätten. Dies ist allerdings weltfremd oder unlauter, denn die wenigsten Blogger nutzen Inhalte Dritter und sie werden auch einander nicht in Anspruch nehmen, weil es sich nicht lohnt.
Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass weite Teile der Öffentlichkeit irritiert wurden und auch kaum ein Abgeordneter die Dinge klargestellt hat. Ist der Legislative gar nicht aufgefallen, dass kaum ein Bürger weiß, wann Zitate rechtmäßig sind und wann nicht? Urheberrechtshardliner sollten nun an ihrer These zweifeln, Urheberrecht sei für Laien intuitiv verständlich. Denn jedes neue Gesetz, das auf solcher Gesetzes-Kryptographie aufsetzt, kann alles nur verschlimmern. Seit jedermann mit dem Internet publizieren kann, muss Urheberrecht für jedermann verständlich sein. Oder man wird der Möglichkeiten gewahr, Gesetze nicht nur „blank“ im Internet zu veröffentlichen, sondern sie mit Urteilen, Entwürfen, Protokollen, Debatten, Kommentaren sowie nichtamtlichen Bemerkungen zu versehen. Recht ist eigentlich ein Paradebeispiel für das, was man im Web „Commons“ nennt.
Auch fragt kaum noch jemand, welche Leistung das Leistungsschutzrecht eigentlich schützt – auch der ministerielle Entwurf beschreibt keinen Leistungskern. Es reicht nicht aus, einfach nur die Behauptung aufzustellen, Verleger bräuchten neuen Schutz und müssten gleichgestellt werden. Denn was soll hier geschützt werden? Der Filmhersteller hat Rechte an der Aufnahme, welche die Schöpfungen Dritter (Gesang, Darbietung, Musik) zu etwas Neuem vereint, ebenso der Hersteller eines Tonträgers. Was aber soll der Schutzgegenstand eines Presseerzeugnisses sein? Es ist, wenn man nicht das Papier schützen will, doch nur der gleiche Text wie die bearbeitete Endfassung des Urhebers. Wir finden also bei Printprodukten nur eine Nebeneinanderstellung von Werken, die als solche gar nicht schutzwürdig ist, weil sie nichts Neues über ihre Teile hinaus schöpft. Sicherlich leisten Redaktionen vieles, von Textauswahl über einheitliche Tonalität bis zu einer bestimmten Haltung, aber all dies zeigt sich in Einzeltexten. Es ist also ein schwerer Logikfehler in der Idee eines Leistungsschutzrechtes und er wird noch schwerer, wenn man sich verdeutlicht, welche Prozesse im Internet geschehen: Google und Facebook übernehmen ja den Einzeltext und nicht das ganze Presseerzeugnis oder einen Teil davon. Statt die Verlagsleistung der Inhalte-Bündelung zu nutzen, entbündeln sie die Inhalte, indem sie nur Einzeltexte nutzen. Google macht sich also gar nicht eine übergeordnete, verlegerische Leistung zunutze. Trotz dieses Effektes ein Leistungsschutzrecht zu schaffen ist, wenn es keine bewußte Lobbypolitik ist, eine intellektuelle Minderleistung ersten Ranges. Denn genau das Argument, „der Presseverleger schafft die Voraussetzung dafür, dass der journalistische Beitrag überhaupt Leser findet und Wirkung entfalten kann“ (Jan Hegemann in der FAZ), müsste auch für Suchmaschinen gelten, die Leser zu journalistischen Beiträgen führen. Die neue Regelung schützt also ein „etwas“, das gar nicht vorhanden ist, vor einem Angriff im Netz, der hierauf gar nicht stattfindet. Nichts anderes sagt sogar der BDZV in seiner Argumentsammlung, dass nämlich „Inhalte also solche nicht geschützt sind“ und dass die Verwendung von Texten ohne Bezug zum Presseerzeugnis nicht (!) in das Leistungsschutzrecht“ eingreift. Google soll nun doch die Texte nutzen dürfen, solange Google nicht auf das Presseerzeugnis Bezug nimmt – und Links sind auch erlaubt? Es schwirrt einem der Kopf vor diesem Paradoxon, das zeigt, wie undurchdacht diese Grundidee schon ist.
Doch auch das Argument, man wolle Verlage schützen, weil sie die Voraussetzung für Journalismus schaffen, geht im Grunde fehl. Sicherlich bieten sie beispielsweise Infrastruktur und Vorfinanzierung. Das allein ist aber in einer Marktwirtschaft kein zulässiges Argument, weil es der Kern jeder unternehmerischen Leistung ist, aus Ressourcen einen Wert zu schöpfen. Diese Leistung soll man respektieren, rechtlich schützen darf man sie aber nur, wenn man sehr gewichtige Gründe hat. Die Selbstbedienungsmentalität der Verlage wird ganz deutlich, wenn man sich vorstellt, ein Metzger wolle seine Leistungen für das Zustandekommen einer Wurst schützen lassen. Ludwig Erhard würde sich ob dieser Idee im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, wie seine Nachfolger das Konzept von Marktwirtschaft interpretieren.
Wirtschaftlich geht ein Leistungsschutzrecht ohnehin ins Leere, denn die Beteiligten werden darauf reagieren. Warum sollte Google für seine Veröffentlichungen von Textschnipseln bezahlen, wo doch Google einer typischen Onlinepublikation die Größenordnung von 30 bis 50% der Seitenabrufe bringt? Dies ist eine Leistung, die sich Google ebenso vergüten lassen könnte. Das Ergebnis wäre also eine langjährige Verhandlung zur Verrechnung mit Verlagsansprüchen, bei deren Scheitern auch das Auslisten aus dem Google-Index wie in Belgien, der direkte Nachrichtenbezug von Agenturen (Insider wissen, dass Google bereits bei dpa angefragt hatte) oder der Aufbau einer eigenen Redaktion aus der Portokasse das Ergebnis sein kann. Am Ende trifft es also kleine Aggregatoren nach Art des Commentarist.de, die allerdings schon in der Vergangenheit zum Auslisten gezwungen werden konnten (SZ, FAZ). Ganz zu schweigen von technischen Lösungen, entweder der Erfindung eines Zustimmungs-Tags oder einer Browser-Erweiterung. Eine weitsichtige Gesetzgebung sieht anders aus, zumal auch Facebook betroffen ist und als Weltmarktführer ganz sicher keinen Präzendenzfall schaffen wird, Lizenzkosten für Inhalte zu entrichten, sondern die wenigen Presse-URLs, die auf das LSR bestehen, solange auf eine Blacklist setzen wird, bis Verlage verstehen, dass sie auf Leads zu 24 Millionen potentiellen Lesern verzichten.“
Erschwerend kommt hinzu, dass Presseverleger online alles unternehmen, um bei Google optimal auffindbar zu sein. In dieser Suchmaschinenoptimierung könnte der BGH, wie er es bereits im Urheberrecht getan hat, eine Einwilligung in einen Eingriff ins Leistungsschutzrechts sehen. Oder der BGH könnte die alte Rechtsfigur des „ venire contra factum proprium“ aus dem Grundsatz von Treu und Glauben anwenden (Dank an @RAStadler), wonach die Forderung auf Unterlassen der Indexierung dem eigenen vorherigen Verhalten der Suchmaschinenoptimierung zuwiderläuft. Groteskerweise dulden ja viele Verlage bis heute sogar die Auflistung durch Commentarist.de (zum Beispiel Axel Springer), obwohl sie hieran gar kein Interesse haben.
Das würde allerdings jedermann einleuchten: Dass es nicht redlich ist, einerseits Handeln des Gegners zu unterstützen und sich gleichzeitig rechtlich dagegen zu wehren. Der moralische Schaden für die Qualitätspresse wäre groß – und sie ist es auch, die sich selbst Schaden zufügt, denn „Leitmedien“ werden dadurch erzeugt, dass diese Öffentlichkeit prägen, indem sie von anderen referenziert werden. Medienunternehmen, die zu ihrem wirtschaftlichen Schutz ihre eigenen Leitmedien untergraben, und eine Politik, die bei Mediengesetzen Kernfunktionen des Internet übersieht, das ist Schilda. Im Netz kurz: facepalm.
Dieser Beitrag erschien im Branchendienst iBusiness.
In Berlin munkelt man, dass das Gesetz durch diesen Entwurf quasi zur Totgeburt wurde, und zwar nicht ganz ohne Absicht, weil es eigentlich schon längst keiner, der sich auch nur 30 Minuten damit befasst hat, will.
Also weniger Schilda als politische Euthanasie.
Ja, das munkelt man, ich weiss.
Ich habe dazu aber nichts geschrieben, weil es ein eigenes Kapitel wäre: Sich mit einem Entwurf anders zu verhalten, als man eigentlich will, ist ein weiterer Fall des „venire contra factum proprium“, und so sehr mir das Ergebnis gefällt, so wenig gefällt mir der Weg. Es zählt handeln – und nicht das eigene Vorbringen, das ist durch das Handeln konterkariert.
Mein Eindrück ist übrigens, dass das eigentliche Missgeschick war, wie dieser Satz in den Koalitionsvertrag gekommen ist. Dazu möchte ich später etwas in einer Biographie oder einem Geschichtsbuch lesen.
„das eigentliche Missgeschick war, wie dieser Satz in den Koalitionsvertrag gekommen ist“
– das heißt, eigentlich will niemand in der Regierung das LSR, aber wegen dieses Satzes im Koalitionsvertrag kommt man nicht drumherum?
Es gibt viele Stimmen in der Koalition, die das LSR skeptisch sehen. Darunter sind solche, die völlig zu recht aber zögern, einen Vertrag zu brechen, und solche, die es sich mit einigen Teilen der Presse nicht verscherzen wollen, Stichwort „Mediendemokratie“.
Man sollte aber auch nicht glauben, dass sich all zu viele Personen mit dieser Frage befassen. Das LSR ist Nebenspielplatz dritten Grades. Seine gesellschaftliche Wirkung ist meines Erachtens im Guten wie im Schlechten eher gering.
Es ist doch offensichtlich so, dass führende Leute der Koalition das LSR wollen.
Aber warum hat man es dann nicht gemacht wie bei anderen Punkten auch? Die zwar in den Koalitionsvertrag geschrieben, dann aber so lange verschleppt werden, dass die nächste Wahl vor der Tür steht und man sich nicht mehr drum kümmern braucht. Das eine Jahr hätte man schon noch überbrückt mit Geschäftigkeit und Pseudo-Fortschritten.
Ja, das ist offen sichtlich so. Was nicht offen sichtlich ist, wer von diesen offen sichtlichen es doch nicht will, wen es nicht interessiert und wer es zu wollen vorgibt, obwohl er muss.
Wie immer in der Politik. Auf die veröffentlichte Meinung würde ich da nicht viel geben. I won´t give a shit.
„Verlagsvertreter argumentieren sogar, es werde eine Einnahmemöglichkeit und somit eine positive Position für Blogger geschaffen, weil diese selbst ein Leistungsschutzrecht hätten“
Ich werde nur darauf warten, dass der erste Blogger ein großes Verlagshaus abmahnt wegen Verstoß gegen das Leistungsschutzrecht beim Verwenden der Inhalte. Darauf, dass Wikipedia Abmahnungen verteilt. Darauf, dass die Bild eine Presseagentur abmahnt wegen einer „Bild berichtet“- Meldung. Darauf, dass eine Presseagentur ein Verlagshaus abmahnt weil es sich mit einem von ihm gemeldeten Bericht auseinandersetzt. Darauf, dass ein Verlag Google verklagt, weil es aus Selbstschutz die Verlagswebseiten auf einer Blackliste hat.
Sind solche Szenarien eigentlich überhaupt mal durchleuchtet worden? Ich meine diejenigen Szenarien, dass das System in sich kollabiert.
Ich würde auch gerne darauf warten, wie ein Blogger sich versucht aus der Affäre zu ziehen und einer Abmahnung zu widersprechen, in dem er tausende Fälle von Verstößen gegen das Leistungsschutzrecht aufzählt, wo der klagende Verlag bewusst nicht aktiv wurde obwohl ihm ein größerer finanzieller Schaden entstand als durch die sogar noch kostenlose Werbung des Bloggers.
Also ich für meinen Teil werde mich entspannt zurücklehnen. Das Internet hat auch bei den vielen Abmahnwellen in der Vergangenheit bereits schnell und effiziennt reagiert. So werden auch die Blogger schnell und effizient Wege finden sich selbst zu schützen. Und am Ende haben sich die Verlage beim letzten entscheidenden Elfmeter selbst das Bein gebrochen in ihrer Arroganz, dass es ohne sie nicht ginge.
Diese Aussage ist schlicht falsch. Die einfachste Möglichkeit, dies zu beweisen, ist das Gegenbeispiel.
Bisher ist folgende Verlinkung zulässig:
http://www.ftd.de/politik/europa/:neue-regierung-in-athen-ruecktritt-des-finanzministers-verschaerft-krise-in-griechenland/70054575.html
Das Zitatrecht kommt gar nicht erst zur Anwendung, denn die Schöpfungshöhe fehlt. Ich muß mich folglich mit dem im Link enthaltenen Snippet nicht inhaltlich auseinandersetzen. Eine aus solchen Links zusammengesetzte Linkliste ist also zulässig, obwohl ich mich nicht inhaltlich mit den „Zitaten“ auseinandersetze.
Sollte das LSR in seiner gegenwärtigen Entwurfsform Gesetzeskraft erlangen, so wird dies lizenzpflichtig, denn Ihr Blog ist im Sinne des LSR als gewerblich einzustufen.
Sie als Störer haften für den nur beispielhaften Link in Ihren Kommentaren ab Kenntnis.
Begründung:
In den Erläuterungen zum Gesetzentwurf heißt es wörtlich:
Wie bereits dargelegt, greift kein Zitatrecht. Andererseits ist der Link zum Artikel der FTD keine reine Verlinkung. Eine reine Verlinkung auf den Artikel ist auch nicht möglich, jedenfalls nicht für Nutzer, die den serverinternen Kurzlink nicht kennen, was mutmaßlich nur bei den Admins von Gruner + Jahr gegeben sein wird. Eine reine Verlinkung wäre nämlich dergestalt:
http://194.12.192.169/
Da es sich bei dem Link zur FTD also um keine reine Verlinkung handelt, sind Sie lizenzpflichtig, denn:
1. Die Verlinkung enthält bereits winzige Bestandteile eines verlagstypischen Angebots.
2. Wegen der fehlenden inhaltlichen Auseinandersetzung greift kein Zitatrecht.
3. Die Verlinkung erfolgt im Sinne des LSR gewerblich.
Womit Ihre Aussage:
widerlegt ist.
Und rein vorsorglich, bevor Sie nun meinen, diese Auslegung des LSR sei an den Haaren herbeigezogen:
Erklären Sie das dem Buske, wenn der Sie am OLG HH verurteilt.
Sie haben meinen Satz „…nämlich alles erlaubt, was bisher auch erlaubt war.“ aus dem Kontext genommen. Oben steht doch, dass das LSR Linklisten verbieten würde, wenn es so bliebe. Der Satz bezieht sich auf die bisherigen Verwendungen, die vom Zitatrecht abgedeckt sind – oder eben nicht abgedeckt sind.
Ich habe es ebenfalls so verstanden, wie Peter Viehrig. Auch nach erneutem gutwilligen lesendes Absatzes ist dieser Punkt schlecht herausgearbeitet. Das Problem ist wohl der Begriff „Zitat“. Es wird zwar auf das Zitatrecht verwiesen und erläutert, dass ein Zitat dann zulässig sei, wenn der Zitierer sich mit dem Zitat auseinandersetzen würde, aber es bleibt der Eindruck, dass das für jedes Zitat gilt. Und das ist schlicht nicht der Fall. Denn ein Zitat kann auch sehr kurz ausfallen (so dass keine Schöpfungshöhe vorhanden ist) und dann greift der Urgheberschutz eben nicht (das LSR aber schon). Und das wird in dem entsprechenden Absatz nicht erwähnt, sondern der Eindruck erweckt, dass man sich mit jedem Zitat inhaltlich auseinandersetzen müsste, damit zulässig zitiert werden kann.
Das hat auch mit einer Linksammlung nichts zu tun, denn wenn man keinen Link setzt, sondern nur eine Überschrift aus der SZ zitiert, würde man das LSR verletzen, das Urheberrecht aber nicht (angenommen die Überschrift hat keine Schöpfungshöhe).
So, wie der Absatz formuliert ist, kommt der Unterschied bezüglich der Schöpfungshöhe eines zitierten Satzes zwischern LSR und Zitatrecht nicht raus und klingt irreführend.
Ich habe jetzt einen neuen Absatz dazu geschrieben, „EDIT 28.6.“. Es hat ja keinen Sinn, wenn mir etwas klar war, was keiner im Text wiederfindet 😉
@Chridtoph Kappes
Sie unterschätzen noch immer den Sprengsatz, den das LSR legt. Selbstverständlich greift das LSR in das Zitatrecht ein, nämlich in alle Fälle, die nicht vom Zitatrecht abgedeckt sind, weil es dafür bisher auch gar keinen Regelungsbedarf gegeben hat. In allen Fällen also, für die keine Ausnahmetatbestände im UrhG fetsgelegt sind, erfolgt nun sehrwohl ein Eingriff. Ihre Annahme:
„Es bleibt durch diesen Verweis nämlich alles erlaubt, was bisher auch erlaubt war, die Regelungen sind identisch.“
bleibt auch unter der Einschränkung
„Der Satz bezieht sich auf die bisherigen Verwendungen, die vom Zitatrecht abgedeckt sind – oder eben nicht abgedeckt sind.“
falsch.
Beispiel? Beispiel:
Hier setzen Sie folgenden Link:
http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2012/mai/netz-ohne-vertrauen-die-neue-mega-oeffentlichkeit
Dieser Link führt auf ein verlagstypisches Angebot, nämlich Ihren eigenen Artikel bei „blaetter.de“. Bisher ist das vollkommen unproblematisch, obwohl Sie sich in diesem Vierzeiler Ihres Blogs nicht mit Ihrem Artikel bei dem verlagstypischen Angebot bei „blaetter.de“ auseinandersetzen. Es fehlt die Schöpfungshöhe, womit das im Link enthaltene „Zitat“ vollkommen unproblematisch ist.
Im Falle der Gesetzeskraft des LSR wird auch dieser Verweis lizenzpflichtig. Und zwar unabhängig von Ihren eigenen Uhrheberrechten!
Das ist nun keine Linkliste, die diente oben nur als Beispiel. Ihr schnöder Vierzeiler ist ebenfalls betroffen. Das Netz ist voller solcher Fälle.
Das LSR greift also in das Zitatrecht ein. Nämlich dort, wo es bisher aus guten Gründen einfach keine Regelung gab.
Ihr Annahme ist und bleibt falsch.
Edit: Die Schreibfehler oben schmerzen auch mich. Sehen Sie ’s mir nach. 🙂
Alles, was Sie schreiben, ist zutreffend. Ich denke, wir reden da aneinander vorbei. Das Urheberrecht hat die gleichen Schranken wie das LSR, darunter auch das Zitatrecht. Das LSR greift aber nicht in das Zitatrecht ein, weil aus meiner Sicht das Zitatrecht eben eine Schranke ist, Sie können ja nur das Zitatrecht nach Urheberrecht meinen, und dieses ist per definitionem bezogen auf das Urheberrecht. Daher schreibe ich das anders als sie, weil das LSR eben *nicht* „in das Zitatrecht (des Urheberrechts)“ eingreift, sondern in einen Bereich, der bisher urheberrechtlich nicht geschützt war.
Vielleicht wird so klarer, wo wir aneinander vorbeireden.
Wenn ich das Problem im übrigen geringschätze, dann liegt das daran, dass ich das – soweit es Linktexte und Überschriften betrifft – für einen Witz halte, daher heisst der Artikel ja „Schilda“. Das kann also gar nicht so kommen, so irre ist keiner im Parlament, von keiner Partei.
Worum es materiell daher im Ergebnis geht, sind Textauszüge, die eben nicht durch das urheberrechtliche Zitatrecht abgedeckt sind, zu neudeutsch Snippets und blosse Auszüge ohne neuen Kontext. Dabei sehe ich das Problem NICHT wie Sie in Texten, die unterhalb der UHR-Schwelle sind, weil das LSR natürlich nur – und da ist das BGH-Urteil im Referentenentwurf völlig verdreht! – SINNEINHEITEN schützt und nicht Buchstaben, Wörter, Mehrwortkombis. Da muss es eine Untergrenze geben, schon wegen des Schutzzweckes der Norm. Ich würde das also teleologisch reduzieren.
NB: Der Link auf meinen eigenen Text ist übrigens nicht betroffen, denn das LSR darf nicht zu Lasten des Urhebers gehen, aber Detail am Rande.
siehe Kommentar zu „alter Jakob“
Das Leistungsschutzrecht ist das „Betreuungsgeld“ der Verlagsmenschen 🙂
Hat es nicht noch gravierende Änderungen gegeben? Sonst wäre die Diskussion um das LSR doch völlig sinnlos gewesen.