01.03.2015

Ansichten: 8.867


Unternehmenskommunikation auf Facebook – Ein Geschäft mit Unsicherheiten

Immer wieder finden sich Einzelstimmen, die Unternehmen zur Abschaltung eigener Websites und dem Umzug nach Facebook raten, zuletzt Johnny Haeussler in Wired. Während diese Forderung für Verlage eigentlich schon damit entkräftet ist, dass Facebook ihnen keine Erlöse bietet und sie stattdessen mit Anzeigenkosten belastet, um ihre ureigenste Leserbasis zu erreichen, stellt sich die Frage für andere Unternehmen möglicherweise schon. Dieser Text sammelt bewusst einmal die Argumente entgegen dem Zeitgeist und der Branchenstimmung, was eigentlich die problematischen Seiten des Facebook-Auftrittes sind.

Soziale Funktionen im Internet sind so beliebt, weil sie Menschen auf zuvor nicht gekannte Weise verbinden, Kommunikationsbedürfnisse erfüllen und den dialogischen Umgang mit Inhalten – ist das System einmal in Gang gesetzt – anstoßen. Die großen Fragen um Kontrolle, Privatsphäre und Sinnhaftigkeit solcherart Kommunikation betreffen zwar soziale Netzwerke prinzipiell, werden aber nur für die Endkundenseite diskutiert.

Eine ganz andere Frage ist, wie es um die Möglichkeiten sozialer Netzwerke für Marketing-, Vertriebs- und PR-Zwecke bestellt ist, in erster Linie von Unternehmen, aber auch für gemeinnützige Organisationen. Die beiden Vorteile sozialer Netzwerke, dass nämlich für Werbetreibende keine Betriebs- und Entwicklungskosten anfallen und dass durch virale Effekte schnell Beziehungen aufgebaut werden können, lassen sich ernsthaft nicht bestreiten. Das zeigt der Vergleich zu einem herkömmlichen Webauftritt, der fast immer Geld kostet und für sich allein das Publikum nicht erweitert. Drittens ist auch ein Ende des Nutzungswachstums nicht absehbar, sodass die hypothetische Reichweite weiter zunimmt. Zusätzlich werden in den nächsten Jahren vor allem neue Schwerpunkte wie News, Kleinanzeigen, Social Commerce und Social TV das Wachstum weiter treiben.

Kostenlosigkeit und immense Reichweite klingen für Geschäftskunden und NGOs verführerisch, doch wie ratsam ist ein Engagement aus einer strategischen Perspektive wirklich? Diese müssen zum einen in Marktkategorien und damit im Wettbewerbs- und Abgrenzungsdimensionen denken: Welche Bedeutung sollen soziale Netzwerke als Kommunikations- und künftig auch Transaktionskanal bekommen? Was machen meine Wettbewerber – und wie kann ich mich differenzieren? Zum anderen denken Unternehmen in Investitionen, Risiken und Return on Investment: Wie hoch darf eine Investition, ein zeitliches Engagement sein, mit welchen Risiken ist es behaftet? Wann zahlt es sich aus?

An positiven und begeisterten Stellungnahmen von Internetexperten und Social-Media-Beratern mangelt es nicht. Trotzdem sind einige Punkte kritisch zu sehen. Zunächst zu Problemen fast aller sozialer Dienste am Beispiel Facebook:

A. Strategische Probleme

I. Aufdecken der Kundenbeziehung

Durch die nutzungsrechtlich zwingenden Klarnamen der Besucher seiner Seite gewinnt der Werbetreibende nicht nur selbst die Namen der Besucher (anders als auf seinem Webauftritt, wo er im Regelfall bestenfalls die IP-Adresse erhält), er gibt diese Information zuvor auch auf Facebook preis. Dagegen ist nichts einzuwenden, da Facebook keinen Wettbewerb betreibt und diese Kundendaten nur für die Feinsteuerung von Werbemitteln Dritter einsetzt. Aber wird es dabei bleiben, dass diese Profildaten nicht zum Nachteil desjenigen Unternehmens verwendet werden, das Facebook half, die Daten zu gewinnen? Da ist zum einen der Fall der Weitergabe von Kundendaten an Partner, den sich Facebook für seine wichtigsten Partner in den Nutzungsbestimmungen auch für die Zukunft ausbedungen hat. Damit ist rechtlich das Tor dafür geöffnet, dass Nutzerdaten bei Wettbewerbern landen, daß zum Beispiel ein Facebook-Partner wie Amazon Kundendaten von Buchhandlungen erhält. Da ist zum anderen der Fall, dass durch Kenntnis des Nutzerverhaltens, das Facebook durch Besuche der Seite des Unternehmen A gewonnen hat, genau dieser Nutzer für das Unternehmen B angesprochen wird. Was passiert eigentlich, wenn sich 100.000 Facebook-Nutzer durch Gefällt-mir-Klicks und wiederkehrende Besuche als Fans von Sportschuhmarke A erweisen und genau diese Fans von Sportschuhmarke B nun umworben werden sollen? Erscheint dann Werbung von B auf der Seite von A, neben der eigentlichen Unternehmensfläche? Man könnte meinen, dass es nicht im Interesse von Facebook sei, seine Stellung auszunutzen und auf diese Art potentielle Werbekunden zu vergraulen. Doch warum eigentlich? Zum einen sind Fanpage-Betreiber wie die Sportschuhmarke A nicht zwingend auch zahlende Werbekunden, zum anderen zeigt das Beispiel der Google-Suchmaschine genau dieses Handlungsmuster: Zuerst wird ein Werbeplatz geschaffen, dann dort hohe Aufmerksamkeit erzeugt, und im letzten Schritt der Werbeplatz versteigert. Herrschaft über die Werbefläche hat nur der Diensteanbieter, der sie meistbietend versteigert. Ist wirklich noch niemandem aufgefallen, dass er durch Gewinnung von Fans die maschinelle Segmentierung dieser Personen für Wettbewerber-Ansprache vorbereitet?

In diesem Zusammenhang ist auch nicht unkritisch, daß über die Fan-Beziehung die Kundenbeziehung öffentlich sichtbar wird. Wettbewerber finden hier also die Kunden in einem Kundensegment, das thematisches Interesse zeigt, eventuell wechselbereit ist und im Ausland über die eMailadresse identifiziert wird. Schon heute gibt es Auslandsdienstleister, die Kundenlisten aus öffentlichen Social Media-Plattformen liefern, auf Wunsch also auch Kundendaten des Unternehmens A an das Unternehmen B. Manche Fachleute meinen, dass die Aufdeckung von Kundendaten unvermeidbar sei, weil Kunden selbst öffentlich über Ihre Erfahrungen mit bestimmten Produkten und Dienstleistungen schreiben würden – man müsse also offensiv mit diesem Thema umgehen. Gegen diese Argumentation spricht aber, dass die eigenen, erfolgreichen Aktivitäten die Erkennbarkeit von Kundenbeziehungen zwangsläufig fördern. Es stellt sich somit die Frage, warum man zuerst Kosten aufwendet, um passive zu aktiven Kunden zu machen, um sodann in Kauf nehmen zu müssen, das genau diese Daten dann in wohlsortierten Datentöpfen Wettbewerbern angeboten werden.

II. Regulation der Kommunikation durch Facebook

Anders als sonst im Web regiert Facebook über Kommunikation auf der Plattform. Das ist aus Haftungsgründen gerechtfertigt, die Gesetzgeber Facebook auferlegen. Für dort werbende Unternehmen bedeutet das aber mehrerlei: Erstens hat Facebook eigene Regularien entwickelt, die man kennen und einhalten muss, beispielsweise im Bereich der Gewinnspiele. Zusätzlich zur nationalen Rechtslage muss das werbetreibende Unternehmen also die Regularien erlernen. Unklar ist die mittelfristige Entwicklung solcher Hausordnungen: werden sie komplexer, werden sie gar so restriktiv wie bei Apple, das barbusige Frauen der BILD-Zeitung verbannt? So entsteht heute quasi „Recht im Recht“, genauer: ein privatrechtliches Regime innerhalb einer gesetzlichen Ordnung. Dieses Regime wird global auf Facebook härter, wenn Staaten irgendwo die Inhaltehaftung ausbauen. Gesellschaftlich mag es wünschenswert sein, dass sich große Digitalplayer faktisch um die soziale Ordnung kümmern und Standards schaffen. Unternehmen begeben sich hier allerdings langfristig auf unsicheres Terrain. Nachdem nun „Hassrede“ gemaßregelt wird, obwohl sie nicht verboten ist (!), ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sexualisierte Darstellungen und „Negerküsse“ im Garten des Schönen verboten werden.

III. Keine verbindliche Kostensicherheit

Für Werbetreibende ist ein Grundproblem aller werbefinanzierten sozialen Dienste im Internet, dass es keine Kostensicherheit gibt. Was heute noch kostenlos ist, kann morgen bereits kostenpflichtig sein. Viele Anbieter (etwa Photobucket.com) behalten sich in ihren Nutzungsbestimmungen vor, jederzeit auf kostenpflichtige Nutzung wechseln zu können. Die Abhängigkeit sollten Unternehmen nicht unterschätzen, zumal sie als Werbetreibende a priori die Melk-Kuh (Cash-Cow) des werbefinanzierten Geschäftsmodells sind und es naheliegend ist, wenn Anbieter ihre Dienste in der Wachstumsphase ihres Dienstes zunächst kostenlos anbieten, um nach Erreichen dieser Ziele zumindest ihre Dienste in kostenfreie und kostenpflichtige aufteilen (Freemium-Modell). Hinzu kommen Kosten, die durch das Verhalten aller anderen entstehen, etwa wenn Facebook neue Werbeformen einführt (wie eine Textanzeige bei der Facebook-Suche), die de facto verpflichtend werden, weil Nutzer diese Funktionen erwarten. Hier entsteht Gruppendruck unter Wettbewerbern: Wer nicht „1.0 aussehen“ will, muss auf neue Features und Services aktualisieren. Ob so oder so Kosten entstehen werden, läßt sich vermutlich erst sagen, wenn Facebook an seine Wachstumsgrenzen stößt. Aber auch bei rückläufigen Nutzerzahlen würde die Situation sicherlich nicht besser werden.

IV. Verlust der Herrschaft über Inhalte durch Übertragung von Nutzungsrechten

Die Nutzungsbestimmungen von Facebook sind klar: Facebook hat einfache Nutzungsrechte an Inhalten von Kunden bzw. Interessenten, aber auch von Unternehmen. Nach den jetzigen Bestimmungen kann Facebook die Inhalte einer Unternehmensfanpage, die Nutzerbeiträge, einen Abschnitt der mehrseitigen Kommunikation oder gar alles an anderer Stelle verwerten. Noch kann niemand einschätzen, ob dieser Fall jemals praktische Relevanz haben wird. Es sollte jedoch vor einer Investition bzw. personalintensiven Maßnahmen in eine Fanpage klar sein, ob das Unternehmen mit der Weitergabe dieser Inhalte einverstanden wäre. Twitter beispielsweise erwirtschaftet einen Teil seines Umsatzes damit, dass es Nutzerbeiträge anderen Unternehmen zur Analyse bereitstellt. Technisch ist es heute schon möglich, dass Unternehmen A die Nutzeräußerungen zu Unternehmen B auf Stimmung und Beschwerdethemen analysiert: die Deutsche Bank wird bald wissen, welche Produkte anderer Banken warum floppen und welche Prozesse fehlschlagen.

V. Kundendaten-Übergabe

Werbetreibende auf Facebook erhalten keine Daten über Interessenten und Nutzer. Moderne Online-Marketing-Methoden brauchen jedoch Daten, damit maximale Effizienz der Werbemittel erreicht wird. Aus Unternehmenssicht ist es daher keine gute Lösung, wenn zweistellige Prozentbereiche des Traffics nicht zur Verfügung stehen. Eigentlich sollte es so gelöst werden wie auch sonst im Web: Durch eine Einwilligungserklärung erhält der Werbetreibende die Nutzerdaten. Solange diese Gewinnung von Kundendaten nicht gegeben ist, weist Facebook einen strukturellen Fehler auf: Wenn zwei miteinander kommunizieren (Endkunde und Unternehmen), hat allein ein Dritter (Facebook) Daten über deren Kontakt.

VI. Unvorhersehbare Netzwerkeffekte und Verteilungskämpfe in der Sättigungsphase

Unternehmen dürfen nicht allein, sondern müssen immer in dem Marktumfeld betrachtet werden, in dem sie agieren. Wer sich nur Unternehmen A auf Facebook vorstellt, wie es mit seinen Kunden kommuniziert, denkt nicht weit genug – das ist leider der Kardinalfehler vieler Social-Media-Protagonisten. Vielmehr muß man sich sich von der Einzelsicht zur Marktsicht wenden, dass nämlich sowohl viele Unternehmen, als auch viele Kunden eines Marktes miteinander auf Facebook agieren – ein echtes Netzwerk eben. Wir wissen aber heute noch nicht genau, was künftig in solchen Beziehungsgeflechten kommunikativ passieren wird, denn die Funktionen und die Mediennutzung sind noch zu sehr im Fluß. Viele Unternehmen befinden sich seit Anbeginn auf Facebook auf einem Wachstumspfad: mehr Nutzer, mehr Inhalte, mehr Interaktion. Was aber ist, wenn es Verteilungskämpfe um Aufmerksamkeit gibt, weil alle Unternehmen eines Marktes mit allen Nachfragern kommunizieren? Hierbei ist auch an Phänomene zu denken, die im Social Web durch Massennutzung und technische Verstärker noch kommen werden. Wird man vielleicht auch an einem Tag mit einem „Shitstorm“ 30% aller Fans verlieren, weil es automatische „Ent-Liker“ gibt?

VII. Die Reichweiten-Mär

Zu den Mysterien um Facebook gehört, daß jedermann den Schluss plausibel findet, weil „schon 30 Millionen“ Menschen auf Facebook seien, müsse man selbst auch dort sein. Das ist zwar nicht falsch, aber auch nicht richtig, weil es nicht in Investitionsalternativen gedacht ist. Zum ersten ist aus Unternehmenssicht eine Facebook-Fanpage genauso schlecht im Internet sichtbar wie ein normaler Webauftritt, wenn man beide nicht verlinkt und bewirbt: „Von nichts kommt nichts“ gilt auch hier. Und zum zweiten sind Menschen, die „auf Facebook“ sind, auch außerhalb im Internet anzutreffen. Man erreicht also zwei Mal mehr Menschen, wenn man das ganze Internet adressiert. Die beliebte Bildsprache von Facebook als Staat und drittgrößter Nation der Welt führt also in die Irre. Das Internet ist das größte Web der Welt und Facebook ist knapp ein Drittel davon.

Auch ist die Reichweite von 30 Millionen Menschen nicht eine tatsächliche Reichweite, sondern eine hypothetische. Auch auf Facebook beginnt man mit Reichweite Null. Hinzu kommt, daß nur ein Bruchteil der Kontakte erreicht werden: die Reichweite je nach Posting hängt von vielen Faktoren wie dem konkreten Engagement ab, sie liegt aber typisch bei nur 3 bis vielleicht 10 %. Nun steckt dahinter auch der Gedanke, dass aktuelle Interaktion wichtiger ist als einmaliges, drei Jahre altes Klickbekenntnis. Es fällt aber schon auf, dass Unternehmen zunächst Aufwand zur Gewinnung von Interessenten betreiben müssen, um dann noch ein zweites Mal Aufwand betreiben zu müssen, um diese zu erreichen. Weniger nüchtern formuliert: Facebook gibt Unternehmen erst ein Megaphon an die Hand, hält aber 95% der potentiellen Zuhörer die Ohren zu, wenn man es nicht bezahlt.

VIII. Too Big, fail

Zum ersten: Alles, was Zeitgeist ist, ist es irgendwann nicht mehr. Menschen können der Dinge müde werden, die heute noch ansprechend sind. Es ist daher mittelfristig unklar, welche Image-Seiteneffekte eine Facebook-Präsenz haben wird. Zum zweiten: Facebook ist auf ein Mehr von Allem ausgerichtet: mehr Freunde, mehr Fanpages, mehr Gefällt-Mir-Klicks. Werden soziale Netzwerke überhaupt die geeigneten Werkzeuge bieten, um dem Immer-Mehr eine reinigende Gegenfunktion zu bieten? Wo bleibt etwa die Funktion, die mir vorschlägt, passive Kontakte zu löschen? Quantität verhindert Qualität, Datenschrott entsteht. Drittens: Die Produktentwicklung von Facebook ist atemberaubend: ein hohes Tempo, gepaart mit höchster technischer Komplexität. Doch kann es sein, dass das Produkt zum Moloch wird, wie so viele andere Produkte auch: unübersichtlich, schlecht benutzbar, fehleranfällig. Es wäre nicht das erste Mal in der Softwaregeschichte, dass eine Lösung in der Sackgasse endet.

Zudem zeichnet sich eine Universallösung, die also alles können soll, häufig dadurch aus, daß sie für speziellere Anwendungen nur mittelmäßig geeignet ist. Je größer Facebook wird, desto wahrscheinlicher wird es, dass langfristig Spezialplattformen kommen. Wir sehen es ja jetzt schon an den verschiedenen Facebook-Marken und –Apps: Die Produktdiversikation kann zu Wucherungen führen.

B. Produktstrategische Probleme

Ein fremdes Produkt einzusetzen hat mehrere Vorteile: Man muß keine Software selbst teuer, know-how-intensiv und risikobehaftet entwickeln. Doch dies hat auch Nachteile – und wer einen eigenen Auftritt und einen bei Facebook parallel unterhält, kumuliert eventuell beides.

I. Best Practice oder Mittelmaß?

Zugegeben: viele Funktionen von Facebook wie die Anzeigenplanung sind faszinierend einfach und gut gelöst. Man erhält aber bei Facebook immer nur eine einzige Lösung für ein Problem. Im Web hingegen hat ein Unternehmen immer die Wahl zwischen verschiedenen Software-Lösungen, ob es nun eine große oder eine kleine, eine spezifische oder unspezifische Lösung ist. Zwei Dutzend Webanalyse-Werkzeugen steht eine einzige Facebook-Lösung gegenüber. Das macht alle Unternehmen gleich gut oder schlecht und erlaubt ihnen keine Differenzierung durch eigene Software, Prozesse und Fähigkeiten.

II. Abhängigkeit von der Produktplanung

Wer auf einem kostenlosen Internetdienst aktiv ist, hat nur die Features, die zu diesem Zeitpunkt allen zur Verfügung stehen. Wünsche werden – wie immer bei Produkten – zumeist gern entgegengenommen, deren Umsetzung steht jedoch in den Sternen. Wer Facebook nutzt, nutzt Facebook. Wer einen Webauftritt nutzt, kann ihn in alle Richtungen verändern: Funktionen und Schnittstellen anders definieren, Prozesse und Workflows individuell festlegen. Diese Unabhängigkeit ermöglicht den Unternehmen, sich im Wettbewerb zu unterscheiden.

III. Unvollständigkeit, Redundanz von Funktionen

Die Struktur von Facebook als Plattform bringt es mit sich, dass im Vergleich zu herkömmlichen Webangeboten entweder Funktionen fehlen (etwa ein Newsletter-Tool) oder diese vom Web-Standard abweichen. Das kann Aufwand an anderer Stelle erhöhen, zum Beispiel, wenn ein Teil der Kunden den Newsletter über Facebook-Nachrichten bezieht, ein anderer über normale Mailadressen. In jedem Fall bedeutet es doppelten Lernaufwand, solange man seine Webpräsenz nicht schließt.

C. Kommunikative Eignung

Für einige Markenanbieter ist es generell fragwürdig, ob sie sich überhaupt sozialer Netzwerke bedienen sollen, und für welche Dauer ihre Entscheidung gültig wäre.

I. Keine optimale Eignung für Image- und Marken-Zwecke

Die Gestaltung von Facebook-Fanpages hat Grenzen: Navigationselemente stehen fest, das Seitenlayout ist starr, die „große Bühne“ ist nicht erlaubt und die Typografie ist vorgegeben. Das hat Vorteile, weil die Dinge in Facebook wohlgeordneter wirken als im Rest des Internets. Es handelt sich eben um ein Stück Software und nicht um einen Weißraum, einen Rahmen, ein unbedrucktes Blatt. Das Problem ist jedoch: Ein unverwechselbarer Eindruck entsteht so nicht, erzählerische Dramaturgie ist begrenzt und ein multimediales Erlebnis mit eigenständigen Interaktionselementen ist ausgeschlossen. Hier spricht Software mit dem Nutzer. Als Träger für Imagewerbung und Markenbildung, beispielsweise durch eigenständige filmisch-dramaturgische oder künstlerisch inspirierte Formate ist diese Plattform nicht so gut geeignet wie ein selbstbestimmter Webauftritt.

II. Angemessenheit der Kommunikation

Marken sind mit Versprechen und Werten aufgeladene Wörter und Zeichen, die neben der wirtschaftlichen Funktion für den Verkäufer auch eine soziale Funktion für den Käufer haben. Für den Käufer wirken Marken identitätsstiftend: sie ermöglichen die Abgrenzung gegenüber anderen und die eigene Einordnung im sozialen Gefüge. Nicht jede Marke muss daher zweiseitig kommunizieren, schon gar nicht in sozialen Netzwerken. Und Orientierung geben uns einerseits Unseresgleichen in Augenhöhe, anderseits aber auch immer schon Orientierungszeichen mit Distanz und Höhe – bei Leitmarken bis hin zur Schweigsamkeit. Social-Media-Gurus mag diese Sicht als gestrig erscheinen. Doch kommunizieren gerade die Internetgiganten Apple und Google auf ähnliche Weise. Eric Schmidt, der CEO von Google, twitterte zwei Informationen monatlich, die sich meist auch im Blog fanden, Steve Jobs war bekannt für seine rüden Mails. Google kommuniziert einseitig auf Facebook, Apple ist gar nicht aktiv. Beide Marken sind neben Coca Cola die werthaltigsten Marken der Welt.

D. Fazit

Soll man nun Facebook für Unternehmenszwecke meiden? Bei distanzierten Leuchtturm-Marken ist manchmal Skepsis angebracht, bei anderen Marken nicht. Letztlich muß ein Kommunikationsstil gefunden werden, der zur Marke passt. Sinnvoll ist ein Facebook-Seite dann, wenn die kritische Masse an Fans für virale Kampagnen schnell aufgebaut werden kann, die Marke durch Alltagskommunikation nicht geschädigt wird, das Unternehmen Substanzielles zu sagen hat und Investitionen möglichst unabhängig von der Facebook-Plattform sind. Zudem eignet sich eine Fanpage für Spezialzwecke wie Servicebehandlung und Rekrutierung. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Facebook gut als Stimulus einsetzbar ist, und dies auch deswegen, weil es mit relativer Treffsicherheit eine große Reichweite hat, sobald man dafür bezahlt.

Aber: Alle Aktivitäten in sozialen Netzwerken sollten so konzipiert sein, dass sie die herkömmliche Website nicht ersetzen, sondern ergänzen. Kunden sollten in Richtung dieser Website gelenkt werden, sie ist der zentrale Kontaktpunkt aller Online-Aktivitäten. Nur hier besteht maximale Differenzierungsmöglichkeit vom Wettbewerb, nur hier kann exakt das Kundenverhalten analysiert werden, nur hier können Kundendaten in eigene Systeme überführt werden und hier bestehen die wenigsten Abhängigkeiten von Dritten.

Kommentar schreiben

4 Komentare zu
“Unternehmenskommunikation auf Facebook – Ein Geschäft mit Unsicherheiten”

  1. Gefällt mir gut und ich kann dem allem nur zustimmen. Ein Unternehmen aufzufordern, zu Gunsten von Facebook auf eine eigene, selbst betriebene Präsenz im WWW zu verzichten ist fahrlässig und töricht. Wer so etwas tut, hat von nachhaltiger Markenbildung und Content Marketing keine Ahnung. Unterm Strich hat so etwas den Flair eines Außenseiter-Statements, das nur den Zweck hat, Aufmerksamkeit zu erzeugen, in dem es so absurd ist, dass es von anderen wiederholt wird. Ähnlich dieser albernen Forderungen, die Hinterbänkler in politischen Sommerpausen stellen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.